Ich wachte auf, ich spürte, dass heute etwas passieren würde, doch ich wusste nicht was. Ich sah zum Fenster raus. Die Sonne war gerade am aufgehen und die Pferde des Gestüt waren noch nicht auf der Weide. Ich liebte diesen Ausblick aus meinem Zimmer, direkt aufs Gestüt rüber. Ich sah Max und Ricky um die Ecke kommen, sie führten die ersten Pferde auf die Weide. Ich ging ins Bad und duschte, danach zog ich mich an. Als ich damit fertig war, sah ich Faro und Carry Me auf der Weide mit 3 weiteren Pferden von Dad. Max brachte gerade Bounty auf die Weide, auf der schon ein paar andere eher Seniors standen. Bounty war zwar noch top fit, aber auch nicht mehr die jüngste und genoss ihrer Ruhe. Ich ging nach unten, von wo es schon ehrlich nach Kaffee duftete, auch wenn ich den überhaupt nicht mochte. Er erinnerte mich an die Zeit in London wenn ich jeweils bei Colin war. Auch da hatte es am Morgen früh in seinem kleinen Häuschen ausserhalb von London auch immer so gerochen. Ich erinnerte mich auch noch an den grossen alten Apfelbaum mit der tollen Schaukel dran. Wie ich die geliebt hatte! „Guten Morgen, Lucy. Gut geschlafen?“ fragte mich Angelika. „Ja danke. Ist Dad schon drüben auf dem Gestüt?“ „Ja. Willst du Cate wecken gehen? Dann könnte ihr noch kurz auf den Hof gehen ehe du zu deiner Untersuchung muss.“ Ach ja stimmt, heute war es mal wieder so weit. Wie mühsam das war und alles nur weil die beiden so klein waren! Ich ging also nach oben und ins Zimmer meiner Schwester und weckte sie. „Wenn ich gewusst hätte, dass du ein solcher Frühaufsteher bist an freien Tagen dann hätte ich nicht zugestimmt, dass du hier wohnen darfst!“ meckerte sie rum. „Kommst du mit noch zum Hof? Müssten aber relativ zügig gehen, weil ich muss dann schon bald zurück sein wegen der blöden Untersuchung.“ „Okay. Ich komme mit auf den Hof, aber erst will ich noch schnell rüber aufs Gestüt Carry Me und Faro guten Morgen sage und frühstücken.“ Ich nickte. Es hatte sich so eingebürgert, das mit Gestüt das Gestüt Silvermoon gemeint war und mit Hof Tsubasa Stables.
Aber woran ich mich immer noch nicht ganz daran gewohnt hatte, auch wenn ich hin und wieder bei Dad zu besuch war für einige Tag, dass man bei ihm nur etwas Kleines zum Frühstück ass und dann wenn alle Pferde draussen waren und die meisten Ställe gemistet, was bei ungefähr 3 Boxen pro Person nicht allzu lange ging, alle zusammen drüben im grossen Aufenthaltsraum des Gestüt noch einmal frühstückten. So war es dann auch heute. Ricky hatte frisches Brot besorgt und gemeinsam mit ihr und Cate setzte ich mich an das eine Ende des Tisches. Es wurde gelacht und gegessen und ich fühlte mich in der einige Personen umfassende Schar recht wohl. Ich fühlte mich zuhause und sicher, so stark wie noch nie zuvor irgendwo sonst. Gut, ich hatte mich an manchen Ort mehr und an anderen weniger wohl und akzeptiert gefühlt, aber was es wirklich bedeutete sich zuhause zu fühlen, erfuhr ich erst jetzt. Hier hatte ich das Gefühl sogar einen Weltuntergang überstehen zu können. Hatte das echt damit zu tun, dass ich meine ersten 3 Jahre hier verbracht hatte?
Danach fuhren Cate und ich rüber nach Tsubasa, es war ja gut sei dank kam weiter als von meiner WG aus zum Hof, da Tsubasa am Rande von Hofling lag und zum Glück auch gerade noch in Richtung Sonntal. Das Gestüt lag am Dorfausgang Richtung Hofling von Sonntal und somit war zwischen den Ställen nichts anderes als Felder und Wiese zu finden. Der einzige Unterschied bestand fast ausschliesslich, dass ich sonst durch Häuser zum Stall fuhr. Doch auch wenn ich meine Pferde nach Sonntal ins Gestüt hätte bringen konnten, wollte ich das nicht. Sie gehörten nach Tsubasa. Ich wollte aus dem Stall nicht weg, auch wenn ich auf dem Gestüt schon eine Box für meine Pferde hatte, wenn ich rüber ritt. Es war die einzige Box, die Stroh drin hatte, aber keine Stalltafel dran, aus dem einfach Grund, weil ich dann gleich 3 dran hängen müsste: eine für Madonna, eine für Tirina und eine für Orio. Auf dem Hof angekommen kümmerte ich mich um Tirina und putze und knuddelte sie ausgiebig. Dann gingen wir mit Orio und Madonna spazieren, die Cate zuvor geputzt hatte. Ich nahm Madonna und Cate Orio. Wir machten eine Waldrunde und liess die Pferde am Ende noch ein wenig grasen. Wir liessen die Sonne auf uns scheinen, endlich wurde es wieder etwas wärmer. Nachdem es vor Weihnachten geschneit hatte und alles vereist gewesen war, war es nun trockener, aber noch viel kälter geworden. „Meinst du wir bekommen noch einmal Schnee?“ fragte mich Cate. „Nein ich glaube nicht.“ Meinte ich „oder besser ich hoffe es nicht.“ Mein Handy piepste, eine neue Nachricht von Tobias. Ich hatte schon ein Weilchen nichts mehr von ihm gehört, auch wenn wir sonst mittlerweile sehr gute Freunde waren. Wir schrieben immer mal wieder miteinander oder telefonierten. Ich öffnete die SMS: „Hey Lucy, wie geht es dir? Habe schon lang nicht mehr von dir gehört...“ Ich schrieb schnell zurück: „Hoi du, hoffe dir geht es gut. Wir klappt es mit deinem Tiermedizin Studium, kann ich dich schon bald anrufen, wenn ich einen TA brauche? Tirina hat einen Sehnenschaden seit Weihnachten, Orio, Madonna und Zoey geht’s gut.“ Es ging nicht lange, ehe die Antwort kam. Ich hatte den Inhalt schon fast erwarte: „Arme Tirina, aber freut mich zu hören, dass es den andern gut geht. Aber wie geht es DIR? Nicht besonders gut oder liege ich da falsch?“ Er hatte es gemerkt, er kannte mich zu gut... Er hatte gemerkt, dass ich seiner Frage aus dem Weg gegangen bin. Mist. Aber ich wollte es ihm nicht per SMS sagen. „Naja recht gut, mehr erzähle ich dir mal wenn ich dich wieder sehe. Aber brauchst dir keine sorgen zu machen. ;)“ Kaum hatte ich die Nachricht abgesendet, klingelte das Handy. „Ja?“ „Hi, Lucy.“ Hörte ich Tobias stimme. Wir schwiegen, ich wollte nicht das er mich darauf ansprach und ich wusste nicht was ich sagen sollte. „Hör zu Lucy, ich bin heute bei meinem Onkel zu besuch, wenn du willst kann ich vorher kurz vorbekommen. Ich wäre in 15 min in Hofling. Der Zug fährt da ja sowieso durch. Ich müsste also nur aussteigen...“ Er bot es mir an, er hatte gespürt, dass ich mich nicht ganz so super fühlte. Bei Cate war das was anderes, aber Tobias war so was wie mein bester männlicher Freund geworden. „Das wäre toll.“ Sagte ich schliesslich nach einer langen Pause. „Okay, dann machen wir in ca. 17 Minuten am Bahnhof ab?“ „Ja, bis dann.“ Ich strahlte, ich freute mich richtig hin zu sehen. Als ich Cate sagte, was ich vor hätte, zog sie natürlich eine Augenbraue hoch, doch sie hätte sie ruhig unten lassen können. Da war nichts, ausser einer ganz normalen Freundschaft zwischen uns.
Ich erwartet Tobias am Bahnhof, nachdem Cate mich dort abgeladen hatte. Ich würde später den Bus rüber nach Sonntal nehmen. Ich begrüsste Tobias mit einer freundschaftlicher Umarmung, was bei Cate wahrscheinlich noch das hochziehen der zweiten Augenbraue verursacht hätte. Aber das war wirklich NICHTS, ganz sicher. Wir verliessen den Bahnhof und gingen hinüber zum nahe gelegenen Park, ganz automatisch hatten wir diese Richtung eingeschlagen ohne das wir etwas abgemacht hatten. Wir liessen uns auf die erst beste Bank fallen. „Es schein dir aber gut zu gehen, ich meine du hast keinen Arm ab oder ein Bein im Gips.“ Meinte Tobias lachend. „Höchstens ein paar Kilo zugenommen, aber das kann auch an deiner Winter Jacke liegen...“ neckte er mich. „Nee das liegt nicht an meiner Jacke...“ meinte ich trocken, doch scheinbar hatte Tobias den Unterton nicht gehört oder nicht hören wollen. „So so, dann hast du also ein bisschen zu viel Schokolade gegessen.“ Meinte er lachend. Wie zum Teufel sagt man dem besten Freund oder Freundin, dass man schwanger war? Bei Cate war es irgendwie anders gewesen... „Alles okay? Ich wollte dich nicht kränken. Sorry.“ Tobias sah mich kritisch an. Ich atmete tief durch und schüttelte den Kopf. „Du hast schon recht, ich wiege ein paar Kilo mehr, aber das kommt davon, dass ich... dass ich schwanger bin.“ Die letzten 4 Wörter sprach ich ganz schnell aus. Tobias sah mich ungläubig an. Eine Sekunde verging, eine zweite, eine dritte, ehe er meine Hände nahm. Ich blickte in seine blauen Auge und merkte das er ganz bleicht war. „Aber... Wir haben doch gar nie...“ Ich merkte plötzlich in was für eine doofe Lage ich ihn gebracht hatte. “Nein, nicht du..“ stammelte ich und dann brach alles aus mir heraus. Ich erzählte ihm davon, dass ich Zwillinge bekam, dass ich nicht wusste vom wem, von der Vergewaltigung und wie alles passierte war, davon das ich ein bisschen Angst vor der Zukunft hatte, dass es absolut Verrückt war, dass ich noch vor Angelika meine Kinder bekam, dass ich nicht wollte, dass auch meine Kinder ohne das wissen wer ihr Vater ist aufwachsen müssen, aber ich es nicht ändern konnte, dass... Einfach alles. Er sass da und hörte mir zu. Dann nahm er mich fest in den Arm. Cate hätte ich das alles nie erzählen können, die wäre nie so ruhig geblieben, die wäre durchgedreht. „Du schaffst das Lucy, du bist die stärkste Person, der ich jemals begegnet bin und deine Familie unterstützt dich, sie stehen hinter dir.“ Er machte eine Pause und reichte mir ein Taschentuch. „Ich übrigens auch.“ „Danke du bist der beste Freund den man haben kann.“ „Und du die beste Freundin.“ Er lächelte mich an. Wir wussten beide wie wir das meinten. Früher hätte ich mir nie vorstellen könne, das ich jemals einen Jungen kennenlernte, der die Stelle einer ABF einnehmen konnte, überhaupt das jemand Chloe stelle einnehmen konnte...
Ich kam wegen dem Treffen mit Tobias fast zu spät zum Untersuch. Dad wartete schon ungeduldig vor dem Krankenhaus. Natürlich sah er mich fragend an und wahrscheinlich hatte er sich auch Überlegungen gemacht, die nicht der Wahrheit entsprechen. Ich sah ihn an. „Nur damit du es weißt... Nein. Tobias ist für mich so was wie früher Chloe in London, eine Art männliche aller beste Freundin.“ „Schon okay Lucy“, meinte Dad lachend, „und überhaupt es ginge mich ja auch gar nichts an.“ „Schon, aber ich würde es dir trotzdem sagen.“ Er lächelte mich glücklich an. Ich hätte es ihm ja auch mit Tobias gesagt, wäre es nicht schon zu Ende gewesen ehe ich mir im klaren darüber war, ob wir jetzt zusammen waren oder nicht, da wir uns so selten sahen.
Was dann geschah, weiss ich nicht mehr so genau. Ich weiss nur noch Bruchstücke... Den Anfang noch etwas genauer als das Ende. Beim Untersuchung brach nicht gerade Panik aus, aber Aufregung herrschte schon. Die Ärzte fanden meine beiden Babys immer noch sehr kleine und hätten anhand ihrer Grösse den Termin in 1, eher 2 Wochen festgelegt oder sogar noch später. Wenn sie aber dem Datum – das Dad ihnen gesagt haben musste – der Zeugung glaubten, war ich schon beinahe 3 Wochen überfällig. Ich hörte, wie die Ärzte diskutieren. Die einen fanden es sei höchste Zeit für die Geburt, andere wiederum fanden, dass die Babys noch viel zu klein waren und noch etwas in meinem Bauch wachsen sollten. Mein Vater drückte während der ganzen Zeit meine Hand. Sie beschlossen mich bis zum Abend da zu behalten, um mich überwachen zu können. Unter normalen Umständen wurde die Geburt schon bei 10 Tagen Übertragung eingeleitet, erklärte mir der eine Arzt, eher ich in ein Zimmer gebracht wurde. Ich setzte mich ans Fenster und sah raus. „Alles okay Lucy? Machst du dir sorgen?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Es wird schon alles gut kommen.“ Ich sah ihn an. Er schloss mich in seine Arme und ich weinte, weil ich nicht mehr weiter wusste. „Hast du es gewusst?“ „Jein,“ meinte Dad. „Ich habe zwar selber auch so ungefähr gerechnet und habe Dr. Sommer und Dr. Steiger einmal darauf angesprochen, aber besonders Dr. Sommer meinte, dass kein Risiko besteht und jeden Tag der die Kinder in deinem Bauch sind Vorteile für sie hat.“ „Aber warum das dann jetzt alles?“ „Wahrscheinlich ist der Chefarzt Dr. Morgan wieder zurück, der wollte Cate und dich damals auch per Kaiserschnitt holen, weil er es sicherer fand. Deine Mutter wollte das aber nur im Notfall.“ „Das bedeutet...?“ „Nichts, letztlich ist es immer noch deine Entscheidung, wir werden sehen was sie sagen.“
Eine halbe Stunde später wusste ich das Resultat: Dr. Morgan wollte war wirklich zurück und hat heute von allem erfahren und als er erfuhr, das ich über den Termin war, schlug er Alarm. Doch mein Vater bestand darauf mit dem grösseren Krankenhaus in der Nähe zu telefonieren und mit einer Spezialistin von dort zu reden. Die liess sich alles genau erklären und meinte, dass man nicht gross Panik haben müsse, solange ich mich wohl fühle, können wir schon noch bis ca. 4-5 Tage warten. Dr. Morgan fand das natürlich das hinterletzte auf der ganzen Welt und konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen, dass er das sehr verantwortungslos fand. Er würde die Zwillinge sofort holen, keine Sekunde mehr warten. Klar gab es auch sonst einige Ärzte die so dachten, aber wir beschlossen mit dem Einverständnis von Dr. Sommer, Dr. Steiger und natürlich dem Einverständnis vom Spezialistin - Dr. Tador -, dass es nicht nötig war. Sie war nur dafür, dass ich zur Sicherheit für einige Zeit überwacht wurde, aber sie sah nicht ein grosses Ausrufezeichen. Ich sollte in das Krankenhaus verlegt werden, in dem die Spezialistin war. Langsam wurde mir alles egal. Hauptsache es war möglichst schnell vorbei. Ich weiss nicht mehr, wie ich die Zeit bis zur Verlegung totgeschlagen habe, aber ich weiss noch, dass Cate irgendwann kam und sich stumm neben mich setzte. Sie war relative blass und wirkte aufgeregt und ängstlich zugleich. Wenn sie schon so aussah wie sah ich dann aus? Dann fuhren wir mit dem Krankenwagen ins andere Krankenhaus, weil man so meine Werte weiterhin überwachen konnte. Mir war langsam alles zu viel und zu allem Übel wurde mir auch noch leicht schlecht und die beide Kinder in meinem Bauch spielten vermutlich Boxen oder so was ähnliches. Auf jeden Fall rumpelte es da drin fest und hin und wieder spürte ich Tritte. Während Dad zwar immer in meiner Nähe war, macht Cate keinen Schritt von meiner Seite, ohne das ich sie darum gebeten hätte. Sie war mein Schatten. Wir redeten kaum. Ich hatte das Gefühl, das sie die einzige im Umkreis von vielen Kilometern war, die jetzt wusste wie ich mich fühlte. Naja vielleicht Tobias und eventuell Chloe, auch wenn wir uns etwas auseinander gelebt hatten. Das einzige was ich jetzt wollte, war, dass alles wieder normal wurde, das ich wieder heim. Im grösseren Krankenhaus wurden wir von weiss-Kitteln empfangen. Sie wurden mir zwar alle vorgestellt, doch ich erinnere mich nicht mehr an ihre Namen. Sie schickten Cate mehrmals auf die Seite, doch sie ging nie ganz weg, sie kam immer wieder zurück an meine Seite. Sie blieb bei mir. Ich war unheimlich froh darüber. Die weiss-Kittel wuselten um mich herum machten hier was da was. Mir war es scheiss egal. Ich glaube die meiste Zeit hatte ich die Augen geschlossen, war abwesend wie in Trance. Plötzlich hörte ich eine freundliche Stimme, die Dad begrüsste. Ich machte meine Augen auf ein klein wenig auf. Die Stimme war mir sympathisch und irgendwie kam sie mir auch bekannt vor... Die Person kam mit Dad auf mich und Cate zu. Ich setzte mich auf. „Hallo ihr beiden, ihr seid ja mächtig gewachsen!“ Begrüsste sie uns. „Ich bin Filippa Tador, aber ihr dürft Flipa nennen. Ich kenn euch schliesslich schon seit eurer Geburt.“ „Hallo.“ Sagte ich etwas schüchtern. Ich mochte diese Person, schon allein weil sie keinen weissen Mantel trug! „Nehmt es mir nicht übel, aber ich kann mich nur noch daran erinnern, dass ihr die beiden wunderschönen Namen Catherine und Lucinda bekommen habt. Die ältere von euch beiden hiess Catherine, aber ich kann euch nicht mehr unterschieden. Tut mir leid...“ „Ich bin Cate, die ältere.“ sagte diese. „Dann musst du Lucy sein. Oder wirst du mittlerweile mit deinem vollen Namen angesprochen?“ „Nein, Lucy ist gut.“ „Na dann kommt mal mit.“ Meinte Flipa Wir folgten ihr. Sie nahm alles recht gelassen und das machte auch mich wieder ruhiger und ich begann wieder meine Umwelt wahr zu nehmen. Wir gingen durch weisse Gänge und vorbei an weissen Türen, eher wir dann abbogen und in ein Raum reingeführt wurden. Hier war alles farbig, jede Wand in einer andern Farbe. An den Wänden hingen Fotos von Zwillingen und wenigen Einligen (gibt es das Wort überhaupt?) als Baby und als Teenager. Flipa sah mein Blick und führte mich zu einer Fotografie an der linken Wand. „Das hier bist du und Cate.“ Ich sah mir das Bild an. Es war genau das selbe wie ich in meinem Lucy-Alblum auf der hintersten Seite gefunden hatte. Es war das Bild, auf dem ich meine Schwester das erste Mal erblickt hatte. Das Bild, von dem ich von ihrer Existenz erfahren hatte. „Von uns hast du keine Aufnahme als wir älter waren?“ fragte Cate. „Wie auch? Aber das können wir nachholen. Müssen wir. Setzt euch mal dort drüben hin.“ meinte sie und holte sein Fotoapparat. Sie schoss Fotos von mir und Cate und brachte uns mit komischen Grimassen zum lachen. „Waren sie bei allen diesen Kindern bei der Geburt dabei?“ fragte Cate und sah die riesige Anzahl von Fotos an. „Ach noch viel mehr die hängen drüben im andern Zimmer. Ich bin immer bei allen Zwillingsgeburten oder sonstigen etwas spezielleren Geburten dabei und das schon seit vielen Jahren. Ich bin besonders auf Zwillinge spezialisiert. Ich mag das weiss in Krankenhäusern nicht und deswegen habe ich meine Räume farbig angemalt und hänge die Fotos auf.“ Ich musste lachen. Genau wie ich. „So, nun wollen wir mal sehen, was deine beiden Sorgekinderzwillinge machen, Lucy.“ Meinte sie und stand auf. „Gibt es das Wort überhaupt?“ fragte Cate. Sie war jetzt wieder ganz aufgetaut, sie wirkte ganz normal. „Welches?“ fragte Flipa die etwas suchte in einem Schrank und dabei fast reinkroch. Es war die erste Ärztin, die ich mochte. Man konnte sie einfach nur ins Herz schliessen. „Sorgekinderzwillinge.“ „Sicher gibt es das. Wenn es dieses Wort vor 5 Minuten noch nicht gegeben hat, dann habe ich es eben vor einigen Sekunden erfunden. Jetzt gibt es so oder so.“ Meine sie und meine Sympathie zur Flipa stieg immer mehr an. „So, Lucy, leg dich mal da drüben hin.“ Ich tat wie geheissen. Flipa machte einen Ultraschall und zeigte mir meine Zwillinge auf dem Bildschirm genau. Dann hörte sie noch die Herztöne ab. Sie waren schön regelmässig. Sie machte noch ein paar andere Untersuchungen. „Lange geht das nicht mehr, die beiden wollen schon von sich aus raus. Da braucht man nicht einzugreifen. Noch ein paar Stunden und du wirst sie in den Armen halten.“ „Was?“ Das war nun Dad. „Ich habe dir schon am Telefon gesagt, dass sie vermutlich bald kommen werden. Dass es so schnell gehen wird, dachte ich auch nicht... Ich denke zwar das es nicht mehr heute passiert, aber morgen Abend werde ihr sie in euren Armen halten können.“ „Lucy, Lucy hast du es gehört?“ Cate war ganz aufgeregt. Sie hüpfte rum. Hätte mir ein anderer Arzt das so gesagt, ich hätte Angst bekommen, aber hier hatte ich das Gefühl, dass alles ein Kinderspiel wird. Flipa vermittelte mir grosse Sicherheit. Und Cate fühlte sich wohl hier, gab es dann überhaupt noch einen Grund zur sorge? „Kommen sie jetzt nun zu früh oder zu spät?“ fragte ich ängstlich. „Sie kommen genau richtig, Lucy. Die ganze Rechnerei ist ein riesen Unsinn, der nur alle verunsichert. Die beiden kleinen sind vielleicht etwas länger als gewohnt drin, aber sie haben es gebraucht. Was ist daran so schlimm? Schliesslich brauchen manche Menschen auch viel schlaf und andere weniger.“ Ich war beruhigt. Sie hatte Recht. „Ihr zwei habt bestimmt Hunger und Durst. Da drüben hat es ein Laden, holt euch was zu Essen und zu Trinken. Bringt mir auch ein Sandwich mit, am besten mit Schinken und Käse, aber ich habe alles gerne. Bringst dann einfach hier hoch, okay?“ Wir nickten. „Acht ja und merkt euch den Preis von meinen Sachen, damit ich es auch zurückzahlen kann.“ Cate und ich machten uns auf den Weg. Für aussenstehende mochte sie eine etwas verrückte Ärztin sein, doch für mich war es ein Glücksfall. Ich konnte wieder atmen und fand es gar nicht mehr schlimm im Krankenhaus zu sein. Ich fühlte mich fast ein bisschen zuhaue. Besonders die farbigen Wände gefielen mir, da alle weisse mich immer an die Zeit nach Moms Unfall erinnerte, als sie im Krankenhaus war...
*Während wir weg waren.* „So Tim, jetzt geht es doch Lucy gleich besser.“ Meinte Flipa. „Ja schon, aber ist es die Wahrheit, was du vorher gemeint hast?“ „So gut wie ja.“ „Wie meinst du das jetzt.“ „Du warst doch bei ihnen, hast du nichts bemerkt?“ „Sie waren beide recht still... Besonders auch Cate, sie getraute sich kein Wort zu sagen, die Ärzte jagten sie immer wieder von Lucy weg, aber sie wich nicht von ihrer Seite.“ „Sie war die einzige, die gemerkt hat, dass Lucy unter einem enormen Stress steht. Ich glaube nicht erst seit heute, schon längere Zeit... Und wenn was schädlich ist, dann das. Wie dumm konnten die Ärzte nur sein, die beiden trennen zu wollen? Cate war das einzige vertraute was Lucy in der Nähe hatte. Das sind solche Schwachköpfe allem voran Dr. Morgan! Was Lucy jetzt brauch ist das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Aller Rest wird dann schon automatisch kommen. Aber unter Stress garantiert nicht.“ „Du meinst wirklich, dass die Geburt noch heute Nacht oder morgen stattfindet?“ „Ja. Lucy kann sich nun entspannen und dann wird es recht zügig vorangehen. Anzeichen von der Geburt hat sie erst recht schwache, aber das kommt schon noch... Sie wird ihre Babys nicht auf die Welt bringen, solange sie unter diesem Stress steht. Wenn die Ärzte in Hofling nicht so ein tam tam drum gemacht hätte, wären sie vermutlich schon seit ein paar Tagen da. Sobald sich Lucy entspannen kann, werden sie geboren werden. Die Natur ist das sehr schlau, überleg mal wie ungeschickt es wäre, in der Natur in einer Stress Situation Kinder zu kriegen? Klar sind wir keine Wildtiere auf der Flucht mehr, aber das ist immer noch unbewusst in uns drin. Sobald Lucy sich wohl fühlt, wird die Geburt beginnen ohne Eingriffe von aus. Vertrau mit und vertrau vor allem IHR.“ „Und wegen der Grösse? Das beunruhigt mich eigentlich sehr. Lucy und Cate waren zwar auch recht klein...“ „Ja das waren sie und deswegen mache ich mir keine Sorgen, das grössere ist etwas kleiner als Lucy damals. Sie war ja die kleinere von den beiden. Und ihr kleineres Baby ist wirklich etwas klein, aber ich denke nicht, dass es deswegen irgendwie medizinisch versorgt werden muss. Soweit ich das jetzt beurteilen kann, geht es ihm gut, nur das es eben etwas kleiner ist als das andere. Aber was ist daran so schlimm, nicht alle Kinder kommen als riesige Brocken zur Welt. Lucy hat es nur einfacher bei der Geburt.“ Mein Dad nickte. „Okay.“ „Wir müssen einfach schauen, dass Lucy sich wohl fühlt, nicht in Stress gerät, Angst bekommt oder sich aus irgendeinem anderen Grund wieder in diese Art Trancezustand fallen lässt. Und ganz wicht, sollte ich einmal gerade weg sein: Lass Cate bei Lucy. Auch wenn sie getrennt aufwachsen sind, haben sie eine sehr starke Beziehung zueinander bloss schon vor ihrer Geburt entwickelt. Wenn der eine Zwilling ein einschneidendes Erlebnis erlebt, bin ich der Meinung, sollte der zweit bei ihm sein. Auch wenn sie nicht miteinander aufgewachsen sind, wäre Lucy jetzt noch getrennt von Cate wäre es ein grösseres Problem und ich denke alles was jetzt noch kommen wird, würde weniger problemlos ablaufen. Weil sie selber an ihre eigene Geburt erinnert wird und unbewusst dann auch an Cate und sich dann aufregen würde, weil sie nicht da ist. Natürlich alles unbewusst, aber das wiederum auf das Kind, bzw. die Kinder überträgt. Ihr Körper hat sich immer an Cate erinnert und wird es auch immer tun... Du weißt ja was ich bezüglich der Trennung der beiden dachte.“ „Ja. Ich weiss... Aber du weisst sicher auch noch, dass ich es mehrmals versucht habe sie zurückzuholen. Ganz am Anfang als Cate nur immer geschrien hat, weil Lucy weg war und ich mit Cate deswegen bei dir war. Natürlich auch noch später...“
Als wir wieder zurück waren, assen wir erst einmal das mitgebrachte. Dann meinte Flipa, dass wir nun einige andere Untersuchungen von weiteren Ärzten machen lassen müssen. Ich hätte doch bestimmt einmal schon durchs Krankenhaus auf einem Bett geschoben werden wollen?, fragte sie. Ich nickte. Ja, das hatte ich immer als Kind gewollt. Flipa liess ein Bett holen und ich durfte drauf. Das Cate auch gerne drauf möchte, sah ich. Ich hätte sie gerne bei mir gehabt, aber ich konnte sie schlecht drauf bitten... Umso verwunderter war ich als Flipa meinte, worauf Cate denn noch warte, sie solle endlich auch rauf klettern. Ich freute mich wie ein kleines Kind – wahrscheinlich benahm ich mich auch so. Verschiedene Ärzte und Hebammen in weissen Kitteln untersuchten mich. Doch Cate wurde nicht von meiner Seite verjagt Nur ein einziges Mal, aber da hat Flipa gerade eingegriffen und gemeint, dass Cate ruhig bei mir bleiben soll. Als alles vorbei war, war es schon dunkel draussen. Sie brachten mich in ein Zimmer ganz nahe neben Flipas Büro oder wie man dem auch immer sagen mochte. Das ziehen im Bauch wurde immer stärker, doch Flipa versicherte mir, dass alles gut sei und kontrollierte immer wieder die Herztöne der beiden. Wir sahen ein bisschen fern, ehe ich mich hinlegte. Cate legte sich neben mich. Ich war müde von der ganzen Aufregung und schlief ein. Cate war ja da, es konnte nichts schief gehen...
Ich wurde wache, weil sich mein ganzer Bauch zusammenzog. Ich setzte mich auf. Dad lag auf der andern Seite des Raumes auf einem schmalen Notbett, Cate immer noch neben mir. Flipa war wache. Sie meinte, dass alles okay sei. Ich stand auf und ging zu ihr hinüber. Ich stellte mich neben sie ans Fenster, sah eine Sternschnuppe. „Wünsch dir was, Lucy!“ meinte sie. Ich wünschte mir etwas, doch das kann ich hier nicht schreiben, weil man es nicht verraten darf. „Du erinnerst mich stark an deine Mutter. Sie stand genauso da wie du und hat hinaus in die Nacht gesehen, bevor Cate und du zur Welt kamt. Geht es ihr gut?“ „Sie ist bei einem Unfall ums Leben gekommen. Nein, eigentlich erst danach im Spital. In einem weissen Raum mit lauter weiss-Kitteln, die aber nichts für sie machen konnten. Ich mag deswegen weisse Räume nicht besonders und auch weiss-Kittel nicht. Ich habe fast ein bisschen Angst vor ihnen...“ Erklärte ich zögerlich. „...generell jagen mir Spitäler Angst ein.“ „Da hast du, ich und Nataly etwas gemeinsam, wir alle mögen weiss nicht besonders.“ meinte Flipa und fragte nicht länger nach Nataly. Aus einem plötzlichen Impuls raus sagte ich zu ihr: „Wenn es zwei Mädchen werden, nenne ich sie Melanie Colleen und Livianne Nataly.“ „Nach deinem Grossvater und deiner Mutter?“ „Sie kenne meinen Grossvater?“ „Aber sicher, er war bei eurer Geburt dabei!“ Ich musste an Colin denken, wie er mit mir gespielt hat als ich noch klein war. Wie er gelächelt hat, er hatte ein ganz besonderes lächeln. „Und wie nennst du sie wenn es Jungs werden?“ „Sebastian Colin und Alexander Matthew.“ „Ebenfalls sehr schöne Namen. Weisst du, dass Cate oder du auch Matthew respektive Mathias geheissen hättest?“ „Ja, Dad hat mir es gesagt. Der anderer hätte Patrick geheissen, kurz Paddy und Matt.“ „Genau.“ „Eigentlich wollte ich ja eine männliche Form von Nataly nehmen, aber Nathan gefällt mir irgendwie nicht... und sonst bin ich keiner schönen begegnet. Matthew gefiel mir schon immer gut und als ich gehört habe, dass dies Mom’s Lieblingsname gewesen war, entschloss ich mich, diesen zu nehmen.“ Bein Bauch zog sich schon wieder zusammen. Ich schloss kurz die Augen. Versuchte ruhig zu atmen. Es würde schon alles gut werden... „Geht’s? Möchtest du dich lieber ablegen?“ Ich nickte. Flipa kam zu mir. „Wenn die Sonne aufgeht wirst du Melanie Coleen und Livianne Nataly oder Sebastian Colin und Alexander Matthew in den Armen halten. Versuch dich einfach zu entspannen.“
Doch das war leichter gesagt als getan. Es war mitten in der Nacht, ich war tot müde und hätte noch meine ganze Kraft aufwenden müssen. Flipa ermunterte mich zwar immer wieder, dass es schon bald morgen wäre und dann alles vorbei sei. Dad war auch aufgewacht und er stand neben mir drückte meine Hand, während ich nicht schlafen konnte. Nur Cate schief noch neben mir. Ihr ruhiger Atem beruhigt mich. Es verging Minute um Minute, Stunde um Stunde. Cate war mal wach, mal schlief sie. Dad stand immer neben mir. Einige weiss-Kittel kamen und gingen, doch Flipa passte auf mich auf. Ich vertraute ihr. Sie hat mir erzählt, dass sie auf Zwillinge spezialisiert hätte. Erzählte mir von andern Zwillingen und erzählte mir von Zwillingsfesten, an denen sie schon war. Sie fragte mich auch einiges über London und als ich erwähnte, dass ich mich im Internat wohl gefühlt hätte, weil ich da immer jemand um mich gehabt hätte, meinte sie nur, dass das ganz normal gewesen sei. Mein Körper hätte sich immer an Cate erinnert respektive an deren Verlust. Ich hätte sie immer gesucht. Schliesslich wäre sie in meinem ganzen Leben davor in meiner Nähe gewesen. Das sei nicht ungewöhnlich, dass Zwillinge, die in den ersten Lebensjahren getrennt worden sind, sich alleine nicht wohl fühlen. Das sie sich unvollständig fühle und ständig auf der Suche nach dem andern sind. Nur wenn sie viele andere Menschen um sich hätten, würde der Verlust etwas kleiner sein. Sie erzählte mir, sie hätte einmal von einer Frau gehört, die sich nie irgendwo niederlassen konnte, sie sei immer rastlos gewesen, auf der Suche nach etwas, was sie selber nicht wusste. Sie wurde schwer krank. Doch sie kämpft stark, die Ärzte oder weiss-Kittel - wie ich sie nennen würde - hätten nicht gewusst, wie es die Frau schaffte am Leben zu bleiben. Woher sie ihre Kraft nahm. Sie hat immer gestammelt, dass noch nicht sterben dürfe, bevor sie ES gefunden hat. Sie schrie und werte sich, wollte aus dem Krankenhaus mehrfach ausbrechen, doch ohne die medizinische Versorgung wäre sie innerhalb von einem Tag gestorben. Viele hielten sie für geisteskrank. Ich weiss nicht mehr wodurch, aber plötzlich hat ihr Bruder – sie war ein zweieiiger Zwilling – von ihr erfahren und kam sie besuchen. Er sagte ihr nicht wer er sei, weil er sie nicht aufregen wollte, doch sie erkannte ihn und starb kurz drauf friedlich im Schlaf. Sie schrie nicht mehr, sie kämpfte nicht mehr, sondern liess es zu, dass sie zu den Sternen ging. Das hat mich beeindruck und deswegen habe ich mich auf Zwillinge spezialisiert. Die Welt hielt sie für eine geistesgestörte Frau, aber sie konnte den Weg zu den Sternen nicht antreten, ohne ihren Zwillingsbruder an ihrer Seite zu wissen. Viele Zwillinge können solche einschneidende Dinge nicht allein durchstehen, eigentlich alle....
Ich war müde, fürchterlich müde. War mit meinen Kräften am Ende. Ich hatte heiss und fror zugleich. Wollte nicht mehr, konnte nicht mehr. Atmete schwer und schnell. Ich klammerte mich an Cate. Konnte sie mir den nicht helfen? Doch ich musste es allein schaffen. Trotzdem tat es gut zu wissen, dass sie da war. Das sie mit mir mitfühlte. Dad ging unruhig auf und ab. Hi und her. Ich hatte ihn mehrfach angeschrien, er solle endlich ruhig stehen bleiben, was er dann auch für einen kleinen Augenblick tat, ehe er wieder rum tigerte. Ich liess ihn in Ruhe, er konnte nicht anders. Ich hatte schon so gut wie aufgegeben, als Flipa mir sagte, dass ich es nur noch eine winzige Sekunden aushalten müsse. Ich starte an die Decke, versuchte meine letzten Kräfte zu mobilisieren. Dann ging alles schnell. Plötzlich liess alles nach. Dad blieb stehen, Cate atmete auf und ich schloss die Augen. Ich konnte wieder etwas normaler atmen. Es war vorbei. Ich wollte nur noch schlafen. Mich ausruhen. Mein erstes Kind hatte das Licht der Welt erblickt. „Lucy?“ fragte Flipa „Mmh?“ Ich öffnete die Augen. Es kostet mich unendlich viel Kraft. Flipa gab mir ein in ein Tuch gewickeltes Etwas. „Schau nur, deiner kleinen Melanie Colleen geht es super!“ Ich starte das kleine Gesicht an. War das meine Tochter? „Melanie Colleen, ein schöner Namen Lucy.“ Meinte Dad und drückte meine Hand. Fasziniert von der winzigen Nase, Wange, Mund und Stirn getraute ich mich meine Tochter gar nicht zu berühren zu dürfen. Doch dann strich ich sorgfältig ihr über das kleine Köpfchen. Sie sah mich an. Schrie nicht, weinte nicht. Sah mich einfach mit kugelrunden blauen Augen an. Ich küsste sie auf die Stirn, genau so wie es Dad bei ihr immer macht. Ich blickte auf. Sah das Dad Tränen in den Augen hatte. Und dann blickte ich meine Schwester an:. „Willst du sie mal halten?“ fragte ich. Sie nickte aufgeregt. Es kam mir falsch vor, sie alleine zu halten. Cate war ein Teil von mir. Gemeinsam hielten wir sie. „Willkommen in der Davids-Family, kleine Mel.“ Meinte Cate. Instinktiv hatte sie den Spitznamen gewählt, den auch ich für sie ausgesucht hatte, obwohl ich ihn Cate gegenüber nie erwähnt hatte. Ich sah wieder zu Dad hinüber, der sich verstohlen die Tränen weg wischte. Er hatte Tränen in den Augen. Und da durchzuckte es mich. Er war in diesem Moment Grossvater geworden. Doch noch viel wichtiger, ich war Mutter geworden! Ich konnte es nicht glauben, starte Mel an. Sie war MEINE Tochter! Ein starkes ziehen im Bauch liess mich verkrampfen. Ich schloss die Augen. Tief, durchatmen! Ermahnte ich mich. Langsam und ruhig. Ich kniff in die Matratze. Ich war noch nie so erledigt wie in diesem Moment. Wie sollte ich es da schaffen das alles noch einmal durchzustehen? Eine Träne lief mir über die Wange. Ich wollte nur noch eines: schlafen. Ich konnte nicht einmal mehr Melanie Colleen halten, so müde war mein Arm. Ich sah Cate hilflos an und sie nahm sie zu sich rüber. Meine Tochter hatte ihre winzigen Augen geschlossen und schlummerte tief und fest. Noch während ich das dachte, spürte ich, dass es diesmal viel schneller ging. Ich spürte, dass ich kurz davor war meine zweite Tochter auch in die Arme zu schliessen, dem ganzen ein Ende zu setzten. Und dann war es soweit. Doppelt so schnell wie Melanie war meine kleinere Tochter auf der Welt. Mit neun Minuten abstand. Schwer atmend liess ich mich fallen. Dieses Mal bekam ich meine Tochter nicht so schnell in die Arme gedrückt. Weiss-Kittel standen rund um sie. Was war da los? Lässt sie ihn Ruhe, gebt sie mir!, wollte ich schreien. Doch aus meinem Hals drang ein leises krächzen. Hilflos sah ich Dad an, in seinen Augen konnte ich seine Angst lesen. Was war los?! „Flipa!“ schrie ich ängstlich. Doch die war nicht ansprechbar. Sie kommandierte die Weiss-Kittel rum, wollte sie loswerden, so schien es. Sprach auf sie ein, dass dies das absolut falsche sei. Sie schrie sie an. Dann endlich konnte ich sprechen. „Ich will meine Tochter haben! Verschwindet!“ schrie ich die weiss-Kittel an. Ich war bereit sie zu beschützen, sogar in meinem total erledigten Zustand um sie zu kämpfen. Ich wollte aufstehen, doch Dad drückte mich wieder auf das Bett. „Es kommt schon alles gut, Lucy.“ Doch ich konnte die Angst in seinen Augen sehen. „Flipa? Bitte.“ Stammelte ich. Sie warf mir einen aufmunternden Blick zu. Hoffnung. Bitte, bettete ich, Gebt sie mir. Ich hörte Flipas Stimme: „Ich sag es nur noch ein mal, dieses Kind ist keine Frühchen, es ist bloss ein wenig klein, was es jetzt braucht ist seine vertraute Umgebung und Ruhe – das bedeutet, dass ihr die beiden nicht trennen dürft. Es hat alles vollständig ausgebildet, nur in Kleinformat. Trennt sie nicht, bitte. Das dürft ihr einfach nicht tun!“ schrie Flipa die andern an und dann sah ich wie sie das Bündel aus den Armen der weiss-Kittel nahm und mir brachte. Ich strahlte sie an. Nahm meine Tochter entgegen. Ich erschrak etwas, als ich sah, dass sie noch viel, viel winziger ist als meine erste Tochter. War es richtig sie nicht den Ärzten zu überlassen? Sie wimmerte leise. Ich sah Cate an und instinktiv nahm ich ihr Mel ab. Sobald diese neben meiner zweitgeborenen Tochter lag, hörte jene auf zu wimmern. Sie schloss die Augen und schlief auch ein. Ich sah Flipa fragend an: „Wird sie leben, ich meine ÜBERleben?“ „Ja, das wird sie. Sie wird kämpfen müssen, aber sie hat die besten Voraussetzungen dafür. Sie von ihrer Schwester zu trennen bedeutet für sie nur stress, auch wenn sie dann besser überwacht werden könnte. Sie wird mit jedem Tag aufholen und schon bald wird keiner mehr merken, dass sie einmal so viel kleiner war als Melanie Colleen.“ Meinte Flipa und trat zu seit, so dass Dad neben sich neben mich stellen und die beiden betrachten konnte. Die ersten Sonnenstrahlen schienen ins Zimmer, die Welt erwachte langsam Stück für Stück. „Wie nennst du sie?“ fragte Dad. „Livianne Nataly“ meinte ich „Kurz Liv – Leben.“ Flipa hatte es entschieden wer welchen Namen bekommt, doch sie hat es genau richtig herum gemacht. Liv, musste einfach Liv heissen.
Danach musste ich eingeschlafen sein, denn als ich das nächste Mal aufwachte sass Cate neben mir auf dem Bett und lass in einem Buch. Ich setzte mich sorgfältig auf. Melanie Colleen und Livianne Nataly schliefen immer noch tief und fest neben mir auf dem Bett eingewickelt in die Tücher. Cate sah auf. „Wieder wach?“ Ich nickte. „Wie lang ist es her?“ „Knapp 2 Stunden vielleicht?“ Ich streckte mich und sah auf die Uhr fast 10 Uhr. Flipa betrat das Zimmer. „Wieder fit Lucy?“ „Naja ich fühlen mich wieder besser als vorher. Wann sind meine beiden geboren?“ „7:56 und 8:05 – kurz vor und nach Sonnenaufgang. Wollen wir sie waschen und ihnen richtige Kleider anziehen?“ Ich nickte stand auf, fühle mich zwar immer noch etwas wackelig, aber es ging. Cate nahm ganz selbstverständlich eine meiner Töchtern und wir folgten Flipa. Mit ihrer Hilfe wuschen wir die beiden, was sie nicht ganz so toll fanden. Es klopfte an der Tür. Flipa öffnete. Ich sah, dass es Angelika war. Mit einem Nicken gab ich Flipa zu verstehen, dass es okay ist. Angelika trat ein. Sie legte einen Arm um mich und Cate während wir die beiden kleine betrachteten, die uns mit grossen hellblauen Augen ansahen. Nach einer Weile meinte Angelika, dass sie mir etwas mitgebracht hätte. Sie öffnete ihre Tasche und holte zwei kleine Babykleidchen raus. „Ich dachte, die würdest du gerne hier haben. Ich hoffe sie passen, besonders dem kleineren Kind, könnte es noch etwas zu gross sein...“ Ich strahlte Angelika an. Es waren die beiden Kleidchen, die ich im Schrank gefunden hatte. Es waren die, die ich und Cate auf dem Foto trugen, welches ich in London gefunden hatte und auf welchem ich von meiner Zwillingsschwester das erste Mal erblickt hatte. Ich bedankte mich bei Angelika und zog sie sorgfältig meinen beiden Töchtern an. Livianne war es wirklich noch etwas gross, aber das war egal. Dann legte ich die beiden in ein Bettchen und deckte sie zu. Auch für sie schien der Morgen sehr energierauben gewesen zu sein, denn sie schliefen schon wieder ein. Ich stand davor und konnte den Blick nicht von ihnen lösen. Cate stand neben mich und legte einen Arm um mich. Mit niemand hätte ich diesen Augenblick lieber geteilt. Sie nahm ihr Handy hervor und fotografierte meine Zwillingsmädchen. Plötzlich viel mir auf, dass Dad nicht da war. „Angelika, weisst du wo Dad ist?“ „Ja, der kommt gleich wieder. Gestern Abend hat Colin auf dem Gestüt angerufen. Er machte sich sorgen um dich Lucy, weil er dich in der WG seit Neujahr nie erreicht hätte. Naja ich habe ihm dann halt das nötigste gesagt – ich hoffe du bist mit nicht böse. Als ich ihm dann auch noch gesagt habe, dass du im Krankenhaus seist, weil man nicht wisse was genau los sei, sagte er, dass er morgen – also heute – mit dem ersten Flieger kommen würde. Er könne dich nicht alleine lassen. Tim holt ihn nun am Flughafen ab.“ „Granddad reist wegen mir hier hin? Obwohl er nicht weiss, dass sie schon auf der Welt sind?“ fragte ich ganz gerührt. „Ja.“
Bis Dad und Granddad dann ankamen verging doch nochmals einige Zeit. Ich nahm mein Handy hervor. 3 Nachrichten: eine von Davi, eine von Nina und eine von Tobias. Es war Ehrensache, dass ich die letzte zuerst lass. „Hoi Lucy, was du mir erzählt hast, geht mir sehr nah. Das ist echt nicht einfach für dich. Wenn ich dir irgendwie helfen kann, dann sag es. Aber du schaffst das schon, du bist genug stark, du musst nur an dich glauben! Melde dich, dann komme ich dich nochmals besuchen, Tobias.“ Schrieb er. Ich schrieb sofort zurück: „Hallo Tobias, mir geht es gut und meinen kleinen Schätzen Melanie Colleen und Livianne Nataly auch. Sind heute Morgen um 7:56 und 8:05 zur Welt gekommen!“ Es dauerte nicht lange, da kam seine Antwort zurück. „Was? Schon heute? Will ein Foto sehen und sobald es sich einrichten lässt komme ich dich besuchen, wird aber vermutlich Sonntag! Lg“ Ich fragte Cate nach dem Foto von den Zwillingen, welches sie gemacht hatte und sendete es ihm. Schnell kam die Antwort: „Die sind ja süss.... Und die Namen passen gut. Ist Livianne Nataly die kleinere?“ – „Ja.“ schrieb ich zurück. „Würde gerne noch weiter mit dir schreiben, aber habe gleich eine Vorlesung, rufe dich danach an. Lg Tobias.“ Die zweite war von Davi, die anbot heute Madonna zu reiten oder/und Orio zu longieren. Ich schrieb ihr zurück, dass dies ein nettes Angebot sei. Und natürlich sende ich ihr das Foto der Zwillinge. Die dritte Nachricht war von Nina. „Hoi Lucy, haben soeben Cate getroffen, die auf dem Weg ins KH war. Sie meinte, dass du bleiben müsstest, weil du überwacht werden müsstest. Alles okay?“ – „Hoi Nina. Ja die Ärzte in Hofling, haben ein wenig Trubel veranstaltet. Aber ich bin nun in einem andern Krankenhaus, wo es eine ganz nette Zwillings-Spezialistin gibt! :) Habe heute morgen meine zwei Zwillingsmädchen Melanie Colleen und Livianne Nataly auf die Welt gebracht. Knuddle meine drei Vierhufer einmal ganz Doll von mir, Lucy.“ Auch ihr hängte ich das Foto an. „Gratulation, Lucy! Die beiden sind ja süss. Und natürlich knuddle ich deine 3 von dir, Nina.“ Ich war gerade am Antworten als die Tür auf ging. Dad erschien und dann sah ich auch Colin. Ich sprang auf. „Granddad!“ schrie ich. Ich freute mich riesig. „Lucy, my honey, are you okay?“ fragte er besorgt, als er mich in seine Arme schloss. „Yes i am. And my little girls, too. They’re sleeping.“ Verwirrt sah er mich an. „You don’t know it yet? This morning...you become great-granddad.“ Meinte ich und nahm ihn andere Hand und führte ihn zum Bettchen mit meinen beiden Töchtern. Dad, Cate und Angelika folgten uns. Wir standen alle um die beiden kleinen herum und bewunderten sie. „They are so cute! They look like Cate and you eighteen years ago. „The left one is the nine minute older girl. That’s Melanie Colleen and over there, that’s Livianne Nataly.“ „Wunderful names!“ Ich sah, dass Colin weinte. Ich sah ihm an, dass er sich wahnsinnig freute, aber auch, dass er an Nataly dachte. An seine Tochter. An Mom. Ich drückte seine Hand. Ich hätte diesen Moment so gerne mit ihr geteilt, doch ich wusste, dass Mom nicht hier sein konnte. Doch irgendwo da oben über war sie und sah auf die kleine Versammlung herab. Sie wachte über uns...
uuhh, neuer bericht, neuer bericht!!! :D ich fange direkt mal an zu lesen :)
Edit: So, gelesen :) Toller bericht, schöne namen & ich finde, du hast die Geburt echt gut beschrieben, ohne blutige Details, aber trotzdem hat man nicht das gefühl, als hättest du was ausgelassen, super :) War auch sehr fesselnd, ich hab ohne pause durchgelesen, obwohl ich in der Uni sitze und um mich herum die leute reden^^
aber mir ist aufgefallen, dass es diesmal einige "Stolpersteine" gab, du hast einige wörter verdreht, sätze "komisch" formuliert & einmal hast du erste geschrieben, du hättest eine SMS von mir (Lisa) bekommen, und dann war sie aber auf einmal von Nina... Ich nehme an, dass liegt daran dass du in einem durch und schnell geschrieben hast?^^ ich finde es immer schwer, mit dem tippen den Gedanken hinterherzukommen, wenn ich selber schreibe, weil in Gedanken ist mal eben doch schneller als mit jedem noch so perfekten 10 finger system^^
Ausführlichkeit: 38/50 Personen 30/30 (du bist ja eigentlich nie alleine, außer als du aufwachst, deshalb gebe ich dir jetzt volle Punktzahl, auch wenn ich die Personen nicht gezählt habe. vermute aber, du hast sowieso genug drin^^) Schicksal des aktuellen Monats: -/20 Aufgabe des aktuellen Monats: -/10 Handlung: 43/50 Gesamt: 111
2.930 + 111 = 3.041
Wow, 3.000 Punkte-Marke geknackt, das ist doch bestimmt ein Rekord :D
Zusammenfassung Ich besuche meine Pferde / Tirina wird ausgiebig geknuddelt und muss leider wegen ihrem Sehenenschaden immer noch stehen / Mit Madonna und Orio machen wir einen Spaziergang / Tobias ist zufällig auf dem Weg zu seinem Onkel und muss sowieso durch Hofling fahren mit dem Zug und da er anhand meiner SMS merkt, dass es mir nicht gut geht, macht er einen Stop und trifft mich / Ich erzähle ihm was los ist und lass allem freien lauf / Er reagiert komplett anderes als Cate, hört sich alles an und bleibt ruhig / Er glaubt, dass ich genug stark bin um alles durchzustehen und sagt mir das auch / Bei der Untersuchung im KH gibt es Aufregung, da der Chefarzt aus den Ferien zurück ist und etwas andere Ansichten hat als die bisher behandelnden Ärzte. / Bein Vater fordert, dass er mit einer Spezialistin für Zwillinge im nächsten grösseren KH telefonieren darf. / Ich werde dahin verlegt und lerne die Spezialistin Filippa Tador, die auch schon bei meiner Geburt dabei war. / sie ist mir sympathisch und ich fasse vertrauen zu ihr, im unterschied zu all den weiss-Kitteln, die mich an die Zeit als Mom im KH lag vor ihrem Tod erinnern... / Ich verbringe die NAcht im KH / Schlussendlich bekomme ich kurz vor und kurz nach Sonnenaufgang am nächsten Morgen mit 9 Minuten Unterschied meine beiden Zwillingsmädchen Melanie Colleen und Livianna Nataly. Benannt nach meiner Mutter Nataly respektive meinem Grossvater Colin. / Ich erfahre, dass am Tag vor der Geburt, Colin ins Gestüt Silvermoon angerufen hat, da er mich seit Neujahr nicht mehr in meiner WG erreichen konnte. Angelika erzählt ihm was los ist und er beschliess her zu fliegen! / Gegen Mittag trifft Colin im KH ein, er weiss aber noch nicht, dass er Ur-Grossvater geworden ist.
Gekreuz. Hopla, ja Gedanken sind schneller als Finger^^ werde den Namen noch ändern und vielleicht dann auch noch ein paar verdrehte Sätze korrigieren. ;) Danke für die Bewertung! Und vorallem so schnell.
P.S. Blutige Details will und kann ich mir nicht ausdenken, da mir - wenn ich Blut sehe - schlecht wird. XD
ist auch besser so^^ vorallem wissen wir ja auch alle nicht, wie so eine Geburt richtig abläuft, glaube ich.. oder hat jemand hier schon ein Kind? deshalb finde ich, hast du diese Problematik perfekt gelöst :)
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18.03.2014 11:15 (zuletzt bearbeitet: 18.03.2014 15:24)
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