1. Handelt Mitte & Ende März
2. Habe ich ihn nur überflogen und nicht genau Korrektur gelesen, also sorry für Fehler und verdrehte Sätze. Bin gerade zu faul dafür ^^ :D
3. Ich finde ich habe schon besser Beris geschrieben...
4. Seiten 1-10/19
5. Viel Spass beim Lesen!


Nr. 29 - Die neue Davids-Family (Teil1)
Die Sonne wärmte mein Haar. Ich wollte mich nicht bewegen, keinen Millimeter. Einfach nur geniessen. Schlagartig war es jetzt Frühling, der Schnee war verschwunden. Es war der erste Nachmittag, an dem ich mich nach draussen in die Sonne gelegt hatte mit einem Buch, doch ich war dann eingeschlafen. Ja es war ansträngend mit 2 kleinen Zwillingen – doch Gott sei dank schliefen sie mehrheitlich durch. Und das schon ab der 2 Woche! Es war das erste in der ganzen Sache, wo das Glück auf meiner Seite zu stehen schien. Doch diese Nacht war immer abwechselnd Liv und dann Mel wach gewesen und hatten mich auf trab gehalten. Obwohl ich davon abgekommen war sie in der Nach in ihr Bettchen zu legen und meine beiden Kinder zu mir ins Bett zu nehmen, konnte ich sie in dieser Nach nur beruhigen mit herumtragen. In den vergangenen Nächten hatte ich – wenn sie mal vereinzelt aufgewacht waren – jeweils nicht aufstehen müssen. Ich weiss nicht, weshalb mir Dad ein Doppelbett ins Zimmer gestellt hatte. Vielleicht,, weil er und Mom mit uns als kleine Kinder die Erfahrung gemacht hatte, dass ein Bett im dem wir beide auch gerade noch Platz hatten praktisch war oder vielleicht auch einfach nur weil Cate auch eines hatte. Auf jeden Fall war ich ihm in den meisten Nächten dankbar dafür gewesen. Doch diese Nacht war unmöglich gewesen. Auch der Morgen war nicht besser gewesen und ständig hatte ich das Gefühl gehabt jetzt dann im Stehen einzuschlafen. Es war das erste Mal gewesen, dass mich meine Zwillinge an den Rand meiner Kräfte gebracht hatten, dass ich sie mir das erste Mal weg wünschte. Ich konnte nicht mehr, war bloss noch müde, sehr Müde. Cate war mit Tim und weiteren Angestellten auf einem Turnier und Colin war mit gefahren. Ich war allein und keiner konnte mir sie abnehmen, da Angelika einkaufen ging und andere Besorgungen erledigte. Ich war unendlich froh darüber, dass ich beschlossen hatte hier nach Sonntal zu meinem Vater zu ziehen und nicht in Hofling zu bleiben. Hier konnte man mir helfen, hier hatte ich Unterstützung. Klar wollte ich, als ich aus England weg ging, mich auf niemanden mehr verlassen, selbstständig sein. Nach dem ich erfahren hatte, wie schnell alles durch einen einzigen Unfall verändert werden konnte, wollte ich mich nicht mehr auf andere Menschen stützen. Hier musste ich den ganzen Wahnsinn nicht alleine durchstehen – zumindest meistens. Auch wenn Cate immer wieder gesagt hatte, dass ich zu ihnen ziehen sollte, konnte ich es nicht. Auch Dad habe ich es angesehen, dass er mich gerne bei sich gehabt hätte. Doch ich denke, er verdrängte seien Wunsch mir gegenüber so gut es ging, schliesslich war ich ja nur noch ein paar Minuten weg und nicht mehr verschollen. Doch als Dad sah, dass mich die Welt verschlingen würde, wenn ich allein weiter in Hofling lebte, hatte er mir gesagt, dass ich zügeln soll. Anfangs hatte es mir noch etwas wiederstrebt. Ich dachte immer – naja einfach für kurze Zeit. Aber nun konnte ich mir gar nicht mehr vorstellen hier weg zu gehen... Alleine zu wohnen. Alleine mit den Zwillingen. Wie komisch das tönte, zu dritt war man schliesslich nicht alleine! Als Angelika dann kurz vor dem Mittag heimkam, musste mir wohl meine Müdigkeit auf die Stirn geschrieben gewesen sein. Denn Angelika nahm mir Mel und Liv sofort ab und befahl mir mal 2-3 Stunden einfach nur was für mich zu machen, zu entspannen und zwar nicht im Stall – sie wusste, dass ich dann die Grenzen meiner Belastbarkeit nur noch mehr ausgetestet hätte, indem ich mit meinen Pferden etwas unternommen hätte. So legte ich mich dann also raus in die Sonne mit einem Buch. Doch nach wenigen Seiten war ich eingeschlafen. Sonst ist mir das noch nie passiert. Wenn ich lass, dann war ich nicht mehr ich. Dann war ich die Hauptperson und lebte quasi im Buch. (Zu) grosse Fantasie, so hatte das meine früheren Lehrer immer bezeichnet. Ich war so Müde, dass meine Augendeckel einfach zugefallen sein mussten. Wie lange hatte ich wohl geschlafen? Ich streckte mich und ging rein. Angelika hatte den Radio angeschaltet und war am Laptop, den sie im Wohnzimmer aufgestellt hatte. Ich hörte wie ihre Finger in Windeseile die Tasten drückten: Sie war am Schreiben. Als ich das Zimmer betrat, sah sie auf und meinte, dass sie bald fertig sei, sie müsse nur noch dieses eine Mail Absenden, in 2 Wochen wollte Dad ja endlich ihre Vollblüter abholen und sie musste nun noch diesen Zoll-Kram zu Ende bekommen. Ich nickte und lief in die Küche. Dort wärmte ich mir eine Tasse Milch und dann ganz instinktiv, tat ich nicht Schokoladenpulver sondern einen Löffel Honig rein. Erst als ich den ersten Schluck nahm, versteinerte ich. Nein!, schrie ich innerlich. Wie konntest du nur? Wie konntest du nur das Lieblingsgetränk deiner Mutter machen? Doch da es nun mal passiert war und ich es doch nicht über mein Gewissen brachte, den Inhalt wegzukippen, ging ich mit der Tasse in der Hand hinüber ins Wohnzimmer. Dort setzte ich mich auf das Sofa und zog die Beine an. Schluck um Schluck trank ich das Lieblingsgetränk meiner Mutter aus. Irgendwie war es auch etwas tröstlich. Ich hatte das Gefühl, sie müsste gleich um die Ecke kommen und protestierten, dass ich ihr keine Honigmilch gemacht habe. Honigmilch. Es durzuckte mich wie ein Schlag. Warum hast du nie bemerkt, dass deine Mutter für ihr Lieblingsgetränk einen deutschen Namen hatte? Nein nicht etwa honey-milk, nein Honigmilch...! Ich drehte die Tasse in meinen Händen. Ich schwelgte in Erinnerungen. Colin, Mom und ich. Zu dritt waren wir etwas gewesen wie eine kleine Familie. Es war eigentlich immer in Ordnung gewesen für mich so. Gut ich hatte Mal mehr Mal weniger einen Vater vermisst. Doch ich hatte mich damit abgefunden. Würde es meine Kinder auch könne? Sich damit abfinden, dass sie keinen Vater haben. Ich hoffte es, die andern Möglichkeit wäre ihnen die Wahrheit zu erzählen. Doch die Wahrheit konnte ich ihnen nicht antuen. Ich konnte ihnen doch nicht sagen, dass sie nicht erwünscht waren, auch wenn ich sie jetzt liebe. Ihnen sagen, dass sie aus so etwas hässlichem wie einer Vergewaltigung entstanden waren... Vielleicht später, wenn sie gross sind. Wirklich gross, aber ich weiss nicht, ob man für eine solche Wahrheit irgendwann alt genug ist. Ich glaube nicht. Ich blickte wieder auf meine Tasse runter. Meine Mutter hatte mich auch angelogen bezüglich Cate und auch Dad. Wollte ich eine genau so sein wie sie? Meine Kinder auch anlügen? Verdammt, konnte die Welt nicht einfacher sein?

„Lucy?“
Ich sah auf, Angelika hatte mich wieder aus meinen Trüben Gedanken geholt. „Ja?“
„Wollen wir noch einen Spaziergang machen ehe die andern wiederkommen?“
„Okay.“ Mir war alles recht, nur nicht weiter darüber nachdenken. Verdräng es, im Moment werden sie noch nicht fragen. Doch ich wusste bereits jetzt, dass der Moment kommen würde in dem ich etwas sagen musste. Und vermutlich viel schneller als mir lieb war...

Wir hatten die Zwillinge in den Kinderwagen gepackt, denn Angelika aufgetrieben hatte. Er war für zwei Kinder. Angelika war ständig auf der Suche nach irgendwelchen Dingen für ihr Baby und brachte dann manchmal auch Sachen für Melanie und Livianne mit. Dad war da anders, er hatte für mich zwei, drei Nützliche Dinge wie das riesen Bettchen im Wohnzimmer oder Autostühle gekauft, der Rest war von Cate und mir. Sachen die manchmal schwache Erinnerungen in mir hervorriefen. Und irgendwie hatte ich das Gefühl, so näher bei Mom zu sein und auch, dass meine Kinder näher bei Mom waren. Schliesslich hatten sie nicht nur einen nicht vorhandenen Vater und nicht vorhandenen Verwandten auf Seite ihres Vaters sondern auch noch eine tote Grossmutter - Nataly, eine tote Urgrossmutter – Colins Frau, zwei mit uns verstrittene Urgrosseltern... Wussten die Eltern von Tim überhaupt von Mel und Liv? Mein Herz rutschte in die Hosen. Ich weiss nur wenig von den Eltern von Tim, aber das eine Mal, als ich ihnen begegnet bin, war für mich genug. Niemals mehr würde ich eine solche Begegnung mehr wollen. Sie hatten gewusst, dass ich hier in Deutschland war, wenn sie auch nur ein klein wenig Zeitung lassen. Doch erst nach einem Jahr sahen wir uns das erste Mal – und da haben sie mich nun wirklich nicht so behandelt, wie es sich dann gehören würde. Was genau der Grund war weshalb Dad und seine Eltern nicht mehr miteinander sprachen, weiss ich nicht genau. Damals als wir sie gesehen haben, hatte mir Max ja davor erzählt, dass sie immer nur auf Sieg aus waren. Und das es eine Schande für die Familie gewesen sei, dass Tim nicht mit Cate und seinem Vater am Familienduell gestartet sei. Doch das wollte Tim nicht. Seine Familie war Cate, ich und Nataly. Und er wollte erst wieder teilnehmen, wenn er das mit seiner Familie konnte. Also mit mir.
In den letzten Tagen hatte Angelika immer mehr Sachen für ihr Baby gekauft, das Zimmer – Dad altes Arbeitszimmer schön vorbereitet. Manchmal hat sie mich gefragt, ob ich nicht mit ihr mit will, auch was schönes Neues für meine Zwillinge kaufen. Doch das wollte ich nicht. Ich glaube der Unterschied ist, dass Angelika sich so auf ihr Kind freut und mit alle den Vorbereitungen es schon so eine Art zu sich zu holen. In ihren Alltag. Doch ich war so überrumpelt worden von der Tatsache, dass ich schwanger war, dass ich nun einfach froh bin, dass es ihnen gut geht. Das sie gesund sind und unbeschwert leben können – besonders Liv, die immer noch ein Stück kleiner ist. Der Spaziergang über die Felder und durch den Wald war ganz schön und es war das erste Mal seit langem, in dem ich mit Angelika wirklich ungestört reden konnte. Sonst war immer noch jemand da. Ich glaube dadurch, dass wir in gleichen Umständen waren, sind wir uns viel näher gekommen. Sie war da für mich, wenn ich Fragen hatte. Sie war für mich so eine Art grosse-Schwester-ersatz-Mutter-Freundin-was-auch-immer. Der Spaziergang war schön gewesen und wir hatten über vieles geredet. Auch darüber, dass Angelikas Eltern nun endlich mal mich und Cate kennenlernen wollten. Dad waren sie schon zwei Mal begegnet, aber irgendwie war in letzter Zeit immer etwas dazwischen gekommen. Eigentlich war ein Treffen an Neujahr geplant gewesen...
„Aber warum haben wir nicht in den letzten Wochen etwas gemacht?“ frage ich Angelika. Sie hatten einen unglücklichen Gesichtsausdruck. „Wissen sie nichts von Liv und Mel?“
Angelika zuckte unglücklich mit den Schultern. „Meine Eltern stehen zwar hinter mir, aber ich war schon immer die, die aus der Reihe fiel. Ich war die Person in der Familie, die nicht normal war. Die Person die nicht Dressurfan war, sondern im Rennsport Zuhause war. Ich war keine Otto-Normal-Verbraucherin mit einem 0816-Leben. Als sie erfuhren, dass ich mit Tim Davids zusammen bin, waren sie vermutlich sehr froh darüber, denn sie glaubten mich nun etwas mehr in einem geregelten und normalen Leben zu wissen...“
„...was aber nicht so ist... durch mich.“ Meinte ich.
„Ach Lucy, mein Gott, nein. Ich bewundere dich und irgendwie seid ihr für mich mittlerweile schon so was wie die eigenen Töchter geworden... Du bist nicht schuld. Ich bin wahnsinnig glücklich so wie es jetzt ist. Dass die Davids-Familie keinesfalls normal war, habe ich schnell gemerkt und ich will auch nicht normal sein. Aber ich kann meine Eltern auch nicht einfach überrumpeln... Verstehst du?“
„Ja.“
Wir schwiegen eine Weile. „Aber sonst verstehst du dich gut mit ihnen? Also nicht so wie Dad mit seinen Eltern.“
„Ja ich verstehe mich super mit ihnen, aber es ist nur so, dass ganz bestimmt nach dem Vater fragen werden und ich weiss nicht ob ich das ihnen gegenüber sagen kann.“
„Das verstehe ich jetzt nicht ganz.“
„Naja sagen wir es mal so. Es ist halt so unvorstellbar für mich, was dir passiert ist und ich hätte dich genau wie Tim sehr gerne davor bewahrt. Gut ich war nicht dabei... Tim war mit euch in London und er macht sich jetzt deswegen total viele Vorwürfe, aber ich habe ihm immer wieder gesagt, dass er dich nicht hätte beschützen können. Aber auf jeden Fall, trifft ihn keine Schuld...“
Ich schluckte. Ich hatte mir gar nie überlegt, dass Dad sich Vorwürfe machen würde oder das Angelika sich solche Gedanken machte. Ich hatte diese Sache einfach aus meinem Gehirn verbannt. Was mir erstaunlich gut gelungen ist. Vielleicht weil es so weit weg passiert ist, vielleicht weil ich IHN nicht kenne, vielleicht, weil ich mir durch Moms Tod Techniken angeeignet hatte, Dinge zu verdrängen. Wie hatte meine Therapeutin immer gesagt? Wenn etwas schief läuft schmeisse es in Gedanken in eine Schachtel, tu sie ins Dachgeschoss und zünde das Haus an. Ich musste jedes Mal bei dieser Vorstellung lachen. Bei mir gab es schon etliche abgebrannte Häuser. Eines davon war die Sache mit IHM, doch bei diesem schien es so, dass die Mauern noch standen, ein Teil davon nicht weg war. Ein Teil davon noch vorhanden. Etwas, dass daran erinnerte, was es mal war...
„Alles okay?“ fragte Angelika besorgt.
„Jaja...“ meinte ich, obwohl in mir ein Sturm tobte.
Sie sah mich von der Seite an. „Bist du sicher?“
Ich zuckte mit den Schultern. Und genau in diesem Moment nahm sie mich in den Arm und es war das erste Mal, dass ich weinen konnte. Das erste Mal, dass ich Erinnerungen zu liess. Hässliche Erinnerungen.

Seit da sind nun 13 Tage vergangen, fast 2 Wochen. Es war Ende März geworden, die erste Blumen begannen zu blühen und die Welt erwachte aus dem Winterschlaf. Trotzdem erinnere ich mich an jenen Tag und an den Spaziergang mit Angelika, als wäre es gestern gewesen. Ich schob den Kinderwagen vor mir her. Cate ging neben mir und führte Mama Mia, eine neue Stute meines Dad. Ich fand die Stute sehr hübsch. Sie war erst 3 Jahre alt, aber besass grosses Talent. Mein Dad hatte sie in die Ausbildung bekommen, so gesehen gehörte sie nicht wirklich ihm. Da sie aber erst vor 3 Tagen angekommen war, arbeitete Dad noch nicht wirklich mit ihr, sondern es wurden nur kleine Spaziergänge rund um den Hof unternommen. Wir gingen zwischen den Koppel durch, wieder zurück zum Hof. Schon in wenigen Stunden würde Dad aus der Schweiz zurück sein. Er holte Angelikas Vollblüter. Ich war gespannt auf die Crew, besonders auf Tolino - ihr Wallach. Als Mama Mia - kurz Mia - ihre Boxen und Weidenachbarin sah, wieherte sie ihr ungeduldig entgegen. Die Nachricht war klar. Sie hatte genug vom über und um den Hof laufen und ihn ansehen, sie wollte wieder zurück auf die Weide. Cate liess sie mit einem amüsanten Grinsen wieder zurück. "Sind doch alle gleich: Fressen, Fressen und noch mals Fressen." Meinte sie lachend und ging neben mir einige Schritte her. Die meisten Pferde waren in kleiner oder grössern Gruppen auf der Weide. Mein Vater war ein klarer Gegner von "Einzelhaft" am Tag auf den Weiden, aber manche Personen, deren Pferde er ausbildetet, wünschten es nun mal anders. Aber er achtete dann immer darauf, dass die Pferde mindestens über den Zaun hinweg sich beschnuppern konnten. Im Stall hatte zwar jedes Pferd seine Boxe, aber die Trennwand war nur hüfthoch, darüber befand in der vorderen Hälfte einige Stangen - um den Pferden ein Rückzugsgebiet zu ermöglichen - im hinteren Teil war über der Trennwand nichts mehr. Und auch draussen auf dem Paddock konnten die Pferde ihr Kopf über die Absperrung strecken. "geschlossene Gefängnisse" betitelte er die Ställe, die überall Stangen hatten oder noch schlimmer, bis oben eine Trennwand hatten und keinen Paddock. Dad war ganz klar, dass die Absetzer bis zu ihrer Ausbildung in kleinen Gruppen lebten. Tag und Nacht. Dafür hatte er drinnen grosse Boxen mit grossen Auslauf in denen jeweils, 2-4 Pferde waren. Aber mehrheitlich waren die Pferde ja sowieso draussen. So auch heute. Die Winterweiden sahen zwar schon ziemlich matschig an einigen Stellen - eben einer Winterweideentsprechend - aus, aber trotzdem fanden die Pferde immer noch Gras und mussten nicht im Matsch stehen, wenn sie nicht wollten. Aber genau ein solcher Spezialist war Carry Me. Cate verdrehte jedes Mal die Augen, wenn ihre Stute wieder dreckverschmiert dastand. Mit zwei weiteren Stuten und einem Wallach stand sie jeweils auf der Weide, aber Carry Me musste sich ausgerechnet im Matsch wälzen, auch wenn sie sonst noch ganz viele Ort ohne Matsch gab und sie in dieser Vierergruppe die Leitstute war und sich somit Platz beschaffen hätte können. Aber wälzen auf dem Gras machte schliesslich überhaupt kein Spass! Wir kamen zu den halbstarken unter drei Jahre alten Pferden. Cate pfiff leis und eine eher zierliche grau schwarz-graue Stute hob den Kopf. Cate schlüpfte unter der Umzäunung durch und die kleine Maus kam ihr entgegen. Es war Silvermoon's wonderful Skyline - Sky. Sie sollte eigentlich mal eine hübsche Schimmelstute werden mit gleich grossem Talent wie ihr Vater, aber im Moment sah man ihr weder das eine noch das andere an. Cate kraulte ihr den Hals und die kleine Stute verdrehte den Hals.
"Lucy, sie nur wie sie das lieb!"
Ich lächelte. Cate und Sky. Zwischen den beiden bestand schon jetzt ein starkes Band, obwohl Cate nicht mit ihr arbeitet, sondern nur hin und wieder zu ihr ging und sie kraulte. Gut, bei den andern Pferden machte sie das auch. Aber wenn sie bei Sky war funkelten ihre Auge. Ich betete für sie, dass Dad Sky nicht so schnell verkaufen würde und das Cate bei ihrer Ausbildung mithelfen dürfte. Ich muss Dad mal darauf ansprechen. Eine kleine Fellkugel kam auf mich zugeschossen. Zoey. Ich bückte mich und kraulte sie hinter den Ohren. Sie wedelte so stark, dass man das Gefühl hatte, sie würde gleich kippen. "Na gefällt mindestens dir unser neues Leben?" fragte ich die Hündin und führ ihr mit der Hand durchs Fell.
"Gefällt es dir nicht?" Ich zuckte zusammen. Cate hatte meine Frage gehört.
"Ach Cate, dass war nur so gesagt..."
Sie sah mich prüfend an. "Du kannst mich nicht anlügen."
"Okay... Manchmal denke ich schon an mein Leben in Hofling zurück und wie ich dort irgendwie ohne Mel und Liv viel freier war, aber das hier ist nun mein Leben."
"Du trauerst als der Zeit vor der Geburt nach, bevor du hier her kamst?" Musste Cate immer weiter machen? Verdammt noch mal mein Leben hatte sich bloss verändert... Keines war besser oder schlechter. E war bloss... anders. "Mein Gott, nein! Mel und Liv sind nun meine Leben, Gestüt Silvermoon inklusive. Mein Leben in Holfing kannst du nicht mit dem in Sonntal vergleichen, sie sind beide so anders. In Hofling war ich freier, aber ich würde niemals die Zeit zurückdrehen und alles was mit London damals in Verbindung steht rückgängig machen. Dafür liebe ich Mel und Liv zu sehr. Sie sind ein Teil von mir und ich würde mir sie niemals wegwünschen!" Cate sah mich an und schlüpfte zwischen dem Zaun durch und lief schweigen neben mir denn Weg zu den Ställen entlang. Würde ich wirklich Mel und Liv wählen, wenn ich damals vor... naja bevor ich IHM begegnet bin gefragt worden wäre, ob ich mein jetziges Leben wollte oder ein anderes. Ich hätte garantiert nicht das gewählt was ich nun hatte. Ich wäre von IHM davon gerannt, da ich die Begegnung mit IHM garantiert nicht gewählt hätte und somit wäre ich auch vor Mel und Liv davon gerannt. Ich sah die beiden liebevoll an, wie sie im Kinderwagen schlummerten. Ja, dann wäre mein Leben jetzt ganz anders. ohne Mal und ohne Liv. Das konnte ich mir nicht vorstellen. Sie waren ein Teil von mir geworden und spätestens nach einem Tag würde ich sie stärker als alles andere vermissen. Ja sogar stärker als Mom. Ich sah über die Felder in nach Hofling hinüber. Jedes Mal wenn ich in einen neuen Ort zog, dachte ich, hat sich mein Leben drastisch verändert. In London war ich das kleine behütete Mädchen ohne Vater, das behütet von seiner Mutter und seinem Grossvater aufwuchs und später im Internat lebte und rund um glücklich war. Klar hatte ich da Probleme, aber Probleme, die mir mittlerweile lächerlich vorkamen. Dann zog ich nach Hofling, dort war ich anfangs eine unsicher 16 beziehungsweise relativ schnell 17-jährige Person gewesen, die den Kontakt mit ihrem Vater und ihrer Zwillingsschwester aufnahm. Ich wollte ums verrecken selbständig bleiben. Mich an niemanden binden, der dann plötzlich sterben konnte, weg sein konnte. Ich war zu einer Person ohne Mutter geworden, die sich versuchte ihr Leben aufzubauen, aber immer wieder mit Tiefs - und auch Hochs - konfrontiert wurden. Als ich dann 18 wurde, war ich selbstständiger, selbst sicherer, selbstbewusster. Lernte mit dem "Leben" umzugehen und ihm standzuhalten. Kurzum ich konnte mich immer besser irgendwie durchwursteln. Es folgte ein eher ruhigeres halbes Jahr, aber auf kein fall uninteressanteres, bevor sich mein Leben zu dem veränderte, was es jetzt ist. In Sonntal bin ich nun die immer noch die gleich Person wie im letzten halben Jahr wie in Hofling: selbst sicherer, selbstbewusster, lebenserfahrener... doch mit dem grossen Unterschied, dass ich Mutter war von zwei bezaubernden kleinen Wesen. 3 Lebensabschnitte. Manchmal kam es mir fast vor als wären es drei Leben. In London war ich das fröhliche Kind, in Hofling der nach seiner Persönlichkeit suchender Teenager und jetzt in Sonntal war ich vom einen Tag auf den andern zur Mutter geworden, die verantwortungsvoll sein sollte... War ich das? Konnte ich überhaupt die Verantwortung für Mel und Liv übernehmen? Manchmal, da dachte ich, dass ich sie nie berühren hätte sollen. Sie zur Adoption freigeben, weil ich das Gefühl hatte, alles falsch zu machen. Wirklich alles. Zumindest kam es mir so vor als Dad mich in einen so blöden Kurs für Mütter mit Neugeborenen gebracht hat. Er meint es ja nur gut, deswegen Tat ich ihm den Gefallen und ging die drei Mal hin in den Schnupperkurs. Alle andern aus der Gruppe waren begeistert, doch ich würde nicht weiterhin da hin gehen. Die diskutierten über Sachen, die ich mir noch gar nie überlegt hatte. Sie hatten Probleme, in denen ich mir nicht mal das kleinste bisschen dazu überlegt hätte. War ich deswegen eine Rabenmutter? Sie diskutierten jetzt schon über Erziehung? Macht ihr es wie XY oder wie XZ in seinem Buch schreibt? Oder gebt ihr erst das Badöl in die Badewanne und dann das Badewasser oder umgekehrt. Wie vermischt es sich besser? Welche Temperatur hat das Badewasser, ist ein halbes Grad wärmer schädlich? Mein Gott, ich überlegte mir dabei gar rein nichts. Ich badetet meine Kinder einfach, wenn es sein musste und basta. Einen Schaden haben sie noch nie abbekommen davon. Trotzdem hatte ich manchmal Gewissensbisse. Was ist, wenn ich alles falsch mache? Was ist, wenn ich eine Krankheit nicht erkennen würde? Was ist, wenn sie wegen mir Schäden fürs Leben haben deswegen? Ich kam mir dann jeweils überfordert vor. Noch zu jung. Aber war man dafür überhaupt erfahren genug? Klar hatte ich Angelika, Dad und der Rest der Familie in meinem Rücken, aber trotzdem. ICH war für sie verantwortlich. Ich alleine. Das machte mir manchmal ganz schön Angst. Aber wenn ich dann Liv oder Mel ansehe, dann sind die sorgen weg. Besonders wenn sie wie jetzt tief und fest schlummern. Sie waren das Wertvollste was ich besass, aber konnte man überhaupt Menschen besitzen? Aber auf jeden Fall waren sie das Wertvollste was mich umgab.
"An was denkst du?" fragte mich Cate. Wir waren schon fast beim Stall.
"Mmh... An dies und das."
"Muss ich dir heute echt jedes Wort aus der Nase ziehen?"
"Ich denke an Mel und Liv und das sie das Wertvollste auf der Welt sind."
"Nee, Carry Me ist das schon... Und überhaupt, wenn schon sollte ich der wichtigste Mensch in deinem Leben sein." War da Trauer in ihrer Stimme?
"Cate. Du bist und bleibst die beste Schwester der Welt für mich - alleine schon weil ich keine andere habe."
"Ist ja witzig... Und was ist wenn Angelikas und Dad Kind ein Mädchen ist?"
Ich sah sie an.
"Lass dich mal in die Arme nehmen grosse Schwester. Wir beide, wir werden für immer und ewig eine spezielle Verbindung haben. Egal was geschieht. Du bist mir sehr wichtig."
"Du mir auch." Ich drückte meine Schwester fest an mich, so als müsste ich sie festhalten, damit ich sie nicht verlor. In diesem Moment kam ich mir wirklich viel älter vor als sie, auch wenn ich die jüngere war. Ich hatte das Gefühl, dass ich wusste, was das wahre Leben war. Sie aber erst langsam eine erste Vorstellung davon bekam. Sie wurde immer noch von Dad und Gestüt Silvermoon behütet. Ein Teil von ihr war noch das kleine fröhliche und beschützte Mädchen, das ich in London war...
Sie löste sich aus meiner Umarmung. "So ich muss jetzt noch arbeiten. Dad will noch, dass ich mit Ricky in die Stadt fahre und da noch Dinge abhole und noch kurz beim Warmblutzuchtverband verbeigehe. Dinge erledige fürs das nächste Turnier. Ricky und ich brauchen noch unsere Bestätigung, dass wir in Ausbildung sind um nächstes Wochenende in der Ausbildungskategorie starten zu dürfen."
"Schon nervös?"
"Nee... Nicht auf das Ausbildungsturnierchen. Ricky schon, für sie ist es ja das erste Mal etwas grösseres, aber ich bin wenn schon nervös auf das Turnier in drei Wochen. Das erste Turnier, bei dem ich wieder Punkte sammeln kann fürs Nationalteam, dieses Mal das der Erwachsenen. Das wird hart, letztes Jahr durfte ich ja noch im Nachwuchs starten, den unter 18-jährigen."
Meine Schwester lebte voll und ganz in der Turnierwelt. "Na dann mal los, es wird schon bald dunkel und du willst ja bestimmt da sein, wenn Dad heimkommt."

Ich ging den Stall entlang bis zu Bountys Box. Tadji war in den Ferien und so hatte ich versprochen die Stute mal ein bisschen zu putzen. Ich stellte den Kinderwagen ab und holte die Stute von der Weide. Max streute die Boxen neu ein und so war er in der Nähe. Trotzdem hoffe ich, dass die beiden kleinen weiterschlafen würden... Während der ganzen Zeit, in der ich Bounty putzte, schliefen sie seelenruhig. Auch später noch, als ich Max noch half das restliche Stroh zu verteilen und in jede Box noch Heu brachte. Max holte währenddessen schon die ersten Pferde rein. Plötzlich vibrierte mein Hand. 16:47 - Dad musste in einer Viertelstunde bis zwanzig Minuten hier sein, wenn er nicht all zu viel Stau gehabt hatte, seit der das letzte SMS mit der Ankunftszeit vor ungefähr 2 Stunden geschrieben hatte.
"Hallo?"
"Lucy?" Die Stimme klang schwach und voller Schmerz.
"Angelika was ist los?"
"Ich glaube es ist so weit. Ist Tim schon da?"
"Nein." meinte ich wünschte es wäre anders. "Aber er wird bald kommen. 15-20 Minuten dauert es schon noch..."
"So lang kann ich nicht warten. Kannst du mich ins Krankenhaus bringen? Max soll hier bleiben und Tim abladen helfen, damit der dann schnell auch kommen kann."
"Ja, klar. Bin gleich bei dir."

In diesem Moment wünschte ich mir, dass Dad nicht ausgerechnet heute Angelikas Pferde holen musste. Oder dass Cate mindestens hier war... Doch ich wusste, dass herumjammern nun nichts nützte, dass ich handeln musste. Dass ich Max finden musste, ihm bescheid geben, zu Angelika gehen und sie mit dem Auto inklusive den Zwillingen ins Krankenhaus fahren. Ruhig durchatmen, ermahnte ich mich. Du bist nicht die, die gleich ihr Kind bekommt, also hast du kein Grund, um die Nerven zu verlieren!

Nicht mal fünf Minuten später sassen ich, Angelika und die Zwillinge im Auto. Max versprach Dad anzurufen. Ich überlegte, in welches Krankenhaus ich fahren sollte. Das in der nächsten grösseren Stadt ungefähr 10 Minuten entfernt oder das in Hofling - etwa 7 Minuten weg. Ich entschied mich für das in der Stadt weil dort Cate war und es auf Dad Weg lag. Wir waren schon fast da, als mein Handy klingelte. Dad. Ich nahm ab, obwohl ich am fahren war. Ich hoffe, dass gerade kein Polizist in der Nähe war...
"Dad"
"Lucy, Schatz, alles okay? Max hat mir gesagt, dass ihr unterwegs sind. In welches Krankenhaus geht ihr?"
"Das in der Stadt."
"Okay, ich sollte in knapp 15 Minuten auch dort sein, Max kommt auch und wird dann die Pferde heim bringen."
"Okay, muss jetzt Schluss machen, bin am Fahren."
"Bis später, danke Lucy. Ich mach so schnell ich kann."
"Sei aber vorsichtig!" ermahnte ich meine Vater noch ehe ich auflegte.
Zwei Minuten später waren wir da. Mittlerweile hatte ich nicht mehr einen klaren Kopf. Angelika bat mich drinnen bescheid zu sagen... Was sollte ich tun? Doch ich ging einfach los um irgendwen zu suchen, von dem ich etwas wollte, aber nicht genau wusste was. Ich musste ziemlich verwirrt ins Krankenhaus gelaufen sein, denn drinnen stürzte sich - noch ehe ich sie gesehen hatte - Flipa auf.
"Lucy, was ist los? Geht Melanie oder Livianne nicht gut? Lucy, alles okay?"
"äh... Ja, nein."
Flipa zog einen Stuhl heran. "Setzt dich, atme dreimal tief durch und sage was los ist."
Ich tat wie befohlen. Eins. Zwei. Drei. "Und?" fragte Flipa. Sie war hier, sie konnte helfen. Die Angst viel von mir ab. Die Angst, von der ich gar nicht wusste, dass sie hier war.
"Angelika bekommt ihr Kind und weder Dad noch Cate ist da. Sie ist draussen, die Zwillinge auch."
"wo draussen?"
"In meinem Auto."
"Okay. Bleib hier sitzen ich kümmere mich um alles und komme dann."
Ich nickte. Sah wie sie davon lief. Ich legte meine Hände vors Gesicht. Wenn Cate nur da wäre... Bitte. Flehte ich, bitte Cate, warum lässt du mich jetzt im Stich? Ich kann das nicht alleine. Cate, Dad wo seid ihr? Ich atmete tief durch. Ein. Aus. Ein. Aus. Ein. Aus. Dann nahm ich möglichst ruhig mein Handy hervor und wählte Cate Kurzwahl. Sie meldete sich sofort und versprach auch sofort zu kommen.
Cate würde kommen, alles würde gut werden. Ich spürte es. Obwohl ich Flipa versprochen hatte hier zu bleiben, stand ich auf und ging nach draussen zu Angelika und vor allem zu den Zwillingen. Drei Angestellte kümmerten sich um Angelika und ich sah, wie Flipa gerade dabei war Liv und Mel aus ihren Autositzen zu nehmen. Ich ging hin um sie ihr abzunehmen.
"Nee, nun lass mal Lucy. Geh mit Angelika mit bis Tim hier ist. Ich pass auf die beiden auf. Du weisst ja wo du mich findest." Meinte Angelika.
Ich nickte und folgte den andern in den Spital rein. Ich wusste nicht was mich erwarten würde, als sie ihn ein Zimmer gebracht wurde. Sie lag auf dem Bett und lächelte mich an. "Danke." Sie streckte ihre Hand nach mir aus. Ich drückte sie. Hoffentlich würde Dad bald kommen. Ich fühlte mich komplett hilflos, dabei hatte ich das alles vor 2.5 Monaten selbst durchgemacht! Doch ich hatte das Gefühl damals irgendwie woanders gewesen zu sein... Die Minuten vergingen nur schleichend. Ich zwang mich nicht ständig auf die Uhr zu schauen, aber wenn ich es dann doch wieder tat nach einer gefühlten Ewigkeit, waren doch erst 30 sec vergangen. Manchmal noch weniger. Endlich ging die Tür auf und Dad kam rein. Ihr glaubt nicht, was für eine Erleichterung das für mich war. Dad ging Schnur stracks auf Angelika zu, drückte ihre Hand und küsste sie. Hat er das bei Mom auch gemacht? Denk nicht daran Lucy, Mist... Dann drehte Dad sich zu mir um. "Du hast was zu gut bei mir, danke Schatz." Meinte er und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. Aber dann richtete er sein Blick wieder auf Angelika. Ich konnte die Liebe in seinem Blick fast fassen. Plötzlich kam ich mir total fehl am Platz vor. Hier gehörte ich nicht hin. Bei mir war es anders gewesen. Cate war ein Teil von mir und ich hätte nicht gewollt, dass Dad nicht im Raum war. Doch hier... Entschlossen drehte ich mich um und verliess leise das Zimmer. Ehe ich die Tür zu zog, erhaschte ich noch einen Blick auf Dad, er hatte sich neben sie gesetzt und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Als ich aus dem Krankenhaus kam, um Cate auf dem Parkplatz zu sehen, bot sich mir ein lustiges Bild. Da stand quer über den Parkplatz unser grosser Turniertransporter. Colin, der mit Dad zusammen in der Schweiz war, Cate und Ricky standen daneben. Ich erfuhr, dass sie noch auf Max warteten, der die Pferde nach Hause fahren sollte. Ich konnte dem Drang nicht wiederstehen und schlüpfte durch die kleine Tür rein. 5 Pferde waren drin versammelt. Tolino erkannte ich an seinem Lederhalfter mit der Metallplatz drauf in die sein Name graviert war. Ich strich dem Braunen Wallach über die Nüstern. Ich mochte ihn auf anhieb. Auch die andern 4 Stuten schien gutmütige, friedliche Pferde zu sein. Allesamt trugen Lederhalfter mit Metallplatzen, doch ich konnte ihre Namen nicht entziffern. Angelika hatte meistens von Tolino gesprochen und von ihren Zuchtstuten. Wenn sie eine davon speziell ansprach nutze sie zwar ihren Stallnamen, aber Pferdenamen mit denen ich kein Bild verknüpfen konnte, vergass ich ziemlich schnell wieder. Ich kletterte wieder raus.
"Und?" fragte Cate.
"Hübsche Tiere, Vollblüter halt und keine WBs."
Cate nickte. "Wobei Tolino mit seinem nicht geschorenen Winterfell eher wie ein zu grosses Pony aussieht." Ich musste lachen. " Stimmt, Tolino hat was von einem Teddy."
In diesem Moment bog Max auf den Parkplatz ein. Um die Pferde nicht noch viel länger warten zu lassen, wechselte Max ruck zuck das Auto. Cate sollte mit Ricky schon losfahren, um dann beim Abladen dabei zu sein. So blieben nur noch Colin und ich. Wir verabschiedeten uns von den andern. Colin wartete bei meinem Auto während ich Liv und Mel holte. Ich klopfte an Flipas Bürotür. Sie öffnete mir und ich sah, dass meine Zwillinge tief und fest schliefen. Sie waren doch Engel. Immer, wenn es drauf an kam, verhielten sie sich ruhig. Ich bedankte mich bei Flipa. Doch sie liess mich nicht sofort gehen.
"Wie gehts dir? Alles klar mit den beiden?" Fragte sie.
Ich nickte. "Ich schliesse sie mit jedem Tag mehr in mein Herz und könnte mir ein Leben ohne meine beiden Engel nicht mehr vorstellen."
"Aber ist es nicht zu viel für dich alleine, weisst du könntest - wenn du es brauchst - Hilfe beantragen."
"Die andern helfen mir so gut es geht. Ich bin ihnen sehr dankbar. Erst ein einziges Mal habe ich sie mir weg gewünscht oder zu mindestens für ein paar Stunden still. Das war nach einer schlaflosen Nacht und einem ebenso strengen Tag ohne Hilfe."
"Und wenn du Sonst irgendwelche Fragen hast, ich bin da für dich. Glaub mir, auch ältere Mütter mit Zwillingen oder nur einem Baby haben tausend Fragen und Sorgen. Und du bist noch so jung..."
"Was aber nicht heisst, dass ich die schlechtere Mutter bin."
"Sorry Lucy, dass meinte ich nicht. Ich mein nur, dass es manchmal ganz schön schwer ist, die Verantwortung über andere Lebewesen zu haben. Nicht nur Menschen, ich stelle mir das bei Pferde nicht anders vor, nur dass du dort kein Neuling im Gebiet bist."
"Manchmal habe ich wirklich Angst, alles falsch zu machen... dass meine Kinder dann einen Schaden davon haben, dass ich falsch Handle." meinte ich zögernd.
Flipa sah mich an. "Lucy, du musst bloss auf dein Herz hören. Du wirst schon die Richtige Entscheidung treffen, dass weiss ich und dass weisst auch du ganz tief in dir drin." Meinte sie und ging zu ihrem Tisch rüber. Mir brannte eine Frage auf der Zunge. Konnte ich sie das Fragen. Ich atmete tief durch "Meine Kinder sind viel zu spät auf die Welt gekommen, oder?" Ich sah wie Flipa zusammen zuckte, hörte wie sie die Luft einsogt. In diesem Moment wusste ich bereits was kommen würde. "Ich habe dir doch schon einmal gesagt, dass ich nichts von dieser öden Rechnerei halte."
"Sind sie zu spät?" Fragte ich hartnäckig.
Ich hätte niemals erwartet, dass Flipa wütend werden konnte. Doch sie wurde es.
"Mein Gott ja Lucy. Mehr als vier Wochen und glaub mir, während der Geburt stand draussen schon ein Übergrosses Team aus Spezialisten bereit, hätte es nur eine Komplikation gegeben, hätten sie die Kinder per Kaiserschnitt geholt. Du bist papierdünn daran vorbeigeschrammt." fuhr mich Flipa an.
"Nein..! Das ist nicht wahr." Einen grösseren Schock hatte ich schon länger nicht mehr gehabt. Ich zitterte. Ich hätte mich niemals operieren lassen. Nicht nachdem was die Ärzte Mom angetan hatten. Sie hatten sie nicht geheilt, sondern getötet. Ja genau, so hart war die Wahrheit. So Brutal. Ich sagte dies alles natürlich auch zu Flipa.
"Du hast die Wahrheit gefordert." Meinte sie bloss.
"Warum hast du mir dass damals nicht gesagt?"
"Um dich noch mehr zu erschrecken und zu verunsichern, um dadurch einen Kaiserschnitt gerade zu zu provozieren...?"
"Aber ich hätte ein Recht gehabt zu wissen, wie ernst es um mich und Liv und Mel stand."
"Die beiden wären an Silvester geboren, wenn du nicht in einen solchen Angstzustand versetzt worden wärst. Dann wäre alles noch einfacher gewesen. Aber ich vier Wochen übertragen waren sie noch nicht so gross wie ein Baby normalerweise, besonders Liv nicht. Deswegen habe ich gewusst, dass du es schaffen kannst. Das ihr die Geburt auf natürliche Wege schaffen könnt."
Ich schluckte. War das wirklich Flipa? Flipa der ich damals so sehr vertraut hatte? Mussten alle Menschen, die ich liebe mich anlügen?
"Mein Gott Lucy, die Aktion hat mich fast meinen Job gekostet. Die andern Ärzte fanden es fahrlässig so zu handeln, genau wie die in Hofling. Der Teufel mag wissen, warum ich so gehandelt habe. Aber da war dieses Gefühl, das eine OP der komplett falsche weg für euch war, für dich."
Flipa ging unruhig auf und ab und stellte sich dann vors Fenster und sah hinaus.
"Du hast richtig gehandelt, ich danke dir dafür."
"Würdest du das auch sagen, wenn etwas schief gegangen wäre?"
Ich zögerte. Sah aus dem Fenster ehe ich nach einer Ewigkeit antwortete. "Ich weiss es nicht, aber du warst da für mich. Du hast mir meine kämpferische Ader wiederbelebt, du warst der Anker für mich. Ich hatte wirklich Angst, Panische Angst. Vor den weiss Kitteln, vom Krankenhaus, und sogar vor meinen Kinder... Ich danke dir dafür, dass du mich da rausgeholt hast. Und eigentlich hast du Recht, die Rechnerei bringt nichts. Liv und Mel sind putze munter und nur dass zählt."
Flipa dreht sich zu mir um. War das eine Träne in ihrem Augenwinkel? "Danke" stotterte sie, ehe sie sich einen Ruck gab und zu einem Kasten ging.
"Das hier" meinte sie dann in einem ganz normalen Ton. "könnte dir den Alltag erleichtern. So hast du die Hände frei. Ich kenne nicht alle Bindetechniken, aber ich kann dir einige wenige zeigen und dir die Adresse für einen Kurs geben."
Ich war etwas verdutzt über den plötzlichen Wandel. Flipa band das Tuch um mich uns setzte dann sorgfältig Mel rein. Solange Liv noch so klein war, meinte sie, könne ich sie noch vorne neben Mel nehmen, sonst müsse ich eine von ihnen dann auf den Rücken binden. Irgendwie fühlte sich das komisch an, aber zweifelslos hatte es denn praktischen Effekt die Hände frei zu haben. Ich bedankte mich bei Flipa, die mir das Tuch auslieh. Ich war schon bei der Tür als Flipa Meinte. "Lucy eins will ich dir noch auf den Weg geben. Mir scheint, du hast schon relativ viel vom Leben abbekommen und musstest schon einiges Durchmachen, aber versuch auch das gut zu sehen. Schliess die Augen nicht davor und freu dich an kleinen Dingen."
Ich zögerte. Was genau meinte Flipa damit?
„Meine Grossmutter predigte immer, dass viele Leute die Schönheit im Leben nicht sehen. 99% der Leute schneiden Äpfel so wie es alle tun, nur sehr wenige schneiden dünne Scheiben quer...So und nun muss ich endgültig los. Bis bald Lucy"
Grübelnd ging ich zum Auto. Colin wartete schon auf mich. Irgendwie kam es mir falsch vor heim zu gehen. Ich sollte doch hier warten... bis ja bis mein Geschwisterchen geboren ist. Doch Colin meinte nur, dass Dad uns schon bescheid geben würde wenn es so weit sei. So fuhren wir heim. Ich parkte vor den Stallungen. Weder von Max, Ricky noch Cate war was zu sehen. Ich nahm meine Kinder auf den Arm. Colin nahm mir dann doch Mel schnell wieder ab. Sie waren beide schon ziemlich gewachsen und mittlerweile konnte ich fast nicht mehr beide zusammen auf den Arm nehmen. Dann gingen wir in den Stall. Man merkte den paar wenigen Pferden die drin waren gerade an, dass sich was verändert hatte. 5 neue Pferde. Sie standen alle beisammen am Ende der Stallgasse. 2 Stuten zupften am Heunetz, die andern beiden standen wachsam in der Box und waren zwar noch nicht entspannt, aber nicht am durchdrehen. Nur Tolino ging in seiner Box hin und her, auf und ab. Wieherte nach seinen Stuten die ein grummeln zurückgaben. Seine Flanke war total verklebt. Hoffentlich stachelte er mit seinem Verhalten die andern nicht an. Ich versuchte ihn zu beruhigen. Redete ruhig auf ihn ein, doch es nützet nichts. Max kam ging zu ihm in die Box und machte die Tür zu seinem Paddock zu um Zug zu verhindern. Er meinte, dass er noch ein wenig bei ihm bliebe und wir doch rüber zu Haus gehen sollen. Dies taten wir dann auch. Ich legte Mel und Liv im Wohnzimmer ab. Dann ging ich in die Küche um etwas zu trinken für mich und Colin zu holen. Als ich damit wieder kam, war Colin nicht mehr zu sehen. Ich rief nach ihm und fand ihn dann im Gästezimmer - in seinem Zimmer. Er lag auf dem Bett.
"Geht’s dir nicht gut?" fragte ich besorgt.
"Nee, schon gut, weisst du, dass war etwas viel Aufregung für einen alten Mann wie mich Lucy. Nach einem kurzen Schläfchen wird es mir besser gehen."
"Du bist kein alter Mann, Granddad."
"Doch Lucy. Leider. Immerhin bin ich schon Urgrossvater von zwei wundervollen Kindern." Ich schluckte. Nein, er durfte kein alter Mann sein, denn alt bedeutet... bedeutet, dass... bedeutet, dass er vielleicht schon bald sterben wird, aber er war doch alles was mir noch geblieben ist von London, von Mom.
"Du darfst aber nicht alt werden, weil..." schniefte ich.
"Ich werde nicht eher gehen, als du mich nicht mehr brauchst." Meinte er. Seine Worte trösteten mich, auch wenn ich nicht wusste wie er das anstellen wollte. Schweigend sassen wir da. Ich starte zum Fenster raus, raus auf die Strasse. Ein hellblaues Auto vorbei. Wer war das wohl? Ich kannte niemand in der Strasse, der ein solches besass. Ich hörte wie die Haustür aufging, wie Cate hallo rief. Granddad war eingeschlafen. Ich stand leise auf. Zweieinhalb Monate war er jetzt schon hier. Eine lange Zeit. Mein Herz krampfte sich zusammen. Nein er durfte nicht wieder nach London gehen. Aber es sprach alles dafür, dass er schon bald uns wieder verlassen würde...