* Heute = 4.4.14

Happy Return-Day (Teil 1)


Es war morgen früh, mein Wecker klingelte. Verschlafen drückte ich auf die Taste um ihn abzustellen. Heute würde ich das erste Mal wieder im Reisebüro arbeiten. Verschlafen ging ich hinüber ins Bad und duschte mich, dann zog ich sauber Kleidung an – in letzter Zeit war ich mehrheitlich in Pullovern und Reithosen rumgelaufen – und sah nach Mel und Liv. Sie schliefen noch tief und fest. Also ging ich nach unten und machte mir eine Schale Müsli und ein Glas Orangensaft parat. Ich setzte mich an den Tisch. Es ging nicht lange, da tauchte Angelika auf. Sie hatte dunkle Augenringe. Ben war eindeutig nicht so ein guter Schläfer wie meine Zwillinge. Ich wurde in dieser und der letzten Nach von seinem Geschrei aufgeweckt, konnte mich dann aber einfach umdrehen und weiterschlafen. Angelika setzte sich zu mir an den Tisch und stütze den Kopf auf die Hände. Nach einiger Zeit kam Dad runter mit einem leise schluchzenden Ben auf dem Arm, der einfach nicht ruhe geben wollte.
„Hat er wieder so schlecht geschlafen?“ fragte ich. Beide nickten nur. Das war jetzt schon jede Nacht so gewesen. Ben war am 27.3.14 zur Welt gekommen und Angelika war am 2.04 nach Hause gekommen mit ihm. Dad übergab Ben Angelika und ging wieder nach oben, um sich anzuziehen. Die Pferde wollten ihr Futter pünktlich. Schnell ass ich mein Müsli fertig und ging dann nach oben um meine Zwillinge sorgfältig nach unten zu nehmen. Angelika war so lieb und passte auf sie auf, während ich am arbeiten war. Ich legte meine Töchter in das überdimensionale Babybett im Wohnzimmer und sie schlummerten einfach weiter. Ein Arzt hat gemeint, dass es nur logisch sei, dass sie noch viel mehr schliefen, als Babys sowieso schon taten, weil sie noch einiges aufzuholen hatten – sowohl Mel also auch besonders Liv. Angelika legte Ben zwischen die andern beiden und irgendwie mussten die beiden schlafend Zwillinge eine beruhigende Wirkung auf ihn gehabt haben, denn augenblicklich verstummte er und schlief ein. Angelika liess sich aufs Sofa fallen und schlief auch ein. Ich deckte sie zu, schnappte mir meine Tasche und machte mich auf den Weg ins Reisebüro. Dort wurde ich Elisabeth Kern freundlich begrüsst. Man konnte der alten Frau mittlerweile ihr Alter schon gut ansehen, doch sie wollte sich nicht zur Ruhe setzen. Ich begrüsste sie auch herzlich und fühlte mich als würde ich nach Hause kommen, als ich das Reisebüro betrat. Ich ging zu meinem Schreibtisch, bei dem noch alles so war, wie ich es vor Weihnachten verlassen hatte. Damals dachte ich noch, dass ich nach Neujahr wiederkommen würde. Elisabeth brachte mich auf den neusten Stand der Dinge und ich versank vollkommen in der Arbeit. Schnell machte ich mich daran, die ersten Offerten und Angebote heraus zu geben, Mails zu beantworten, Preise für Hotels anzufragen und noch viel mehr. Die Zeit verging wie im Flug. Ich war in meinem Element. Ich liebte es Sachen zu organisieren und ferne Länder – eine schwäche die ich wohl von meiner Mutter geerbt hatte, die Reisejournalistin gewesen war. Elisabeth kam mit einer Tasse Kaffee und einer Tee herein. Sie gab mir den Früchtetee. Ich bedankte mich bei ihr. Kaffee schmeckte mir einfach nicht. Ich lehnte mich im Stuhl zurück und betrachtet Elisabeth. Sie hatte wirklich viel für mich gemacht. Sie hatte es geschafft, dass ich eine verkürzte Ausbildung machen konnte, da ich den Schul-Teil längst schon abgedeckt hatte mit der Zeit im Internat. Ich musste bloss die Semesterprüfungen ablegen. In Englisch und Mathe war das ein Kinderspiel, Deutsch bereitete mir mittlerweile auch kein Problem mehr. Auch Rechnungswesen, Landeskunde und wie die Fächer noch alle hiessen, waren keine grossen Probleme für mich. In London war der Stoff viel schwerer gewesen und zum Glück erinnerte ich mich an alles relativ schnell wieder und so musste ich nicht gross was machen für die Schule. Elisabeth brachte mir den praktischen Teil schon fast komplett im ersten Jahr bei. Im Sommer, so hoffte ich, würde ich dann endlich meine Ausbildung abgeschlossen haben. Elisabeth hat mir dann schon fest eine Festanstellung versprochen. Sie meinte, eine geeignetere Assistentin in ihrem Reisebüro könne sie nicht finden. Ich würde jetzt schon meine Sache perfekt machen – aber die Arbeit machte mir auch einfach Spass.

Als es Mittag wurde, verliess ich das Reisebüro. Eigentlich war mein Arbeitstag schon länger, aber eigentlich hätte ich auch noch Mutterschaftsurlaub. Daher habe ich mit ihr abgemacht, nur am Morgen zu kommen und somit hatte ich doch noch etwas Übung für meine Abschlussprüfung in 2 Monaten.
Mein Weg führte mich geradewegs auf den Hof. Ich begrüsste meine drei liebevoll. Sie standen alle draussen auf der Weide. Tirina musste zwar immer noch ihr ganz kleine abgetrennte Weide sein, aber besser als nichts. Ich knuddelte sie lange und legte meinen Kopf an ihr Hals. Ich genoss diesen Moment so wahnsinnig. Die Sonne schien mir auf den Rücken und ich stand einfach nur da. Eins mit ihr. Wir brauchten unsere besondere Gabe nicht um uns zu verstehen. Das taten wir jetzt auch ohne. Ich hatte das Gefühl, dass jeder von uns beiden in diesen Moment vom andern Energie tankten. Tirina hatte so viel durchgemacht, von dem ich so gut wie gar nichts wusste. Ich hatte sie nie danach gefragt, weil es eigentlich auch nicht wichtig war, doch trotzdem hätte ich gerne das Leid mit ihr geteilt. Doch wenn sie nicht von sich aus erzählen wollte, dann musste ich sie nicht drängen. Irgendwann würde sie es mir schon erzählen, wenn sie wollte, dass ich es wusste. Ich strich ihr ein letztes Mal über ihr schwarzes Fell. „Bis später Maus.“ Verabschiedete ich mich von ihr. Es war schon lustig sie war meine Maus und Madonna meine Prinzessin. Ich dachte und redete schon so von ihnen. Und Orio war mein Kleiner. Ach und wenn wir schon dabei sind, Zoey mein Sonnenschein. Lächelnd ging ich hinüber zu meiner mittlerweile nicht mehr so kleinen weissen Schönheit. Er hob den Kopf sah mich an und machte einige Schritte auf mich zu, ehe er dann doch wieder stehen blieb um weiter zu grasen. Typisch Orio halt, total verfressen. Ich hackte den Strick in sein Halfter ein und ging mit ihm zum Putzplatz. Nachdem ich ihn einer langen Putzeinheit unterzogen hatte, bei der Winterfell tonnenweise nur noch so um mich flog, ging ich mit ihm in die Halle. Ich stellte 4 Pylonen in einem Viereck auf. Dann ging ich Volten um die Pylonen, mal nichts mal rechts, mal eine ausgelassen mal um zwei. Mal schnell mal langsam. Mit jeder Minute fing Orio besser an auf mich zu hören. Schlussendlich fing ich auch noch an zu traben. Fleissig – fast ein bisschen zu fleissig – ging er neben mir her. Als dann draussen plötzlich ein Knall ertönte, zuckte er zusammen, sprang zur Seite. Ich rief ihn wieder zur Ordnung, was er auch einigermassen zu liess, doch jedes Mal wenn wir wieder in die Ecke kamen regte er sich furchtbar auf. Langsam Meter um Meter pirschte ich mich immer näher an die Ecke ran. So nach und nach ging es dann immer besser. Ich liess ihn dann noch einige Vorhand und Rückhandwendungen ausführen. Mit 5 Schritten rückwärtsrichten beendete ich die Lektion. War trotz allem stolz auf ihn und brachte ihn wieder zurück auf die Weide. Er riss ein Büschel Grass ab und trabte dann zu seinen Freunden. Ganz versunken sah ich ihm nach.
„Na am Tagträumen?“ fragte mich eine Stimme. Ich drehte mich um und sah in Davis Gesicht. „Naja ich bewundere nur gerade meine kleine Schönheit.
„Ja, er hat sich wirklich gemacht. Wie alt ist er jetzt?“
„Schon fast vier. Ursprünglich wollte ich ihn ja Ende Herbst an den Sattel gewöhnen und dann im Winter an das Reitergewicht, dann hätte ich ihn nun nochmals 2 Monate auf die Weide gestellt, ehe ich dann im Sommer richtig begonnen hätte.“
Davi nickte. „Ja hättest du schon mit 3 begonnen, wäre es früh in noch zu früh gewesen und du konntest ja nicht wissen, dass du diesen Winter nicht reiten kannst.“
„Naja ich hätte es irgendwie schon wissen müssen. Wenn ich mir das so überlege, ist es so absolut komisch das ich rein gar nichts gemerkt habe. Ich nichts hinterfragte habe...“
„Naja du hast ja auch überhaupt nicht damit gerechnet...“
„Nein, aber ich möchte meine Engel nicht wieder hergeben.“ Meinte ich. Noch ein weitere Spitznamen! Wir schwiegen eine Weile ehe ich hinzufügte. „Aber um wieder zu Orio zu kommen, ich bekomme in den nächsten Tagen einen Sattel für ihn und dann hoffe ich, dass er sich schnell daran gewöhnt, so dass ich möglichst bald mit dem Reitergewicht anfangen kann, so dass er die Sommermonate dann auf der Koppel nochmals geniessen kann und im Herbst dann die wirkliche Arbeit beginnt. Aber erst muss er einmal seine Balance unter dem Reiter finden respektive den Sattel akzeptieren...“
„Ja, ich glaube aber nicht, dass es ihm geschadet hat jetzt noch eine Weile länger bloss Weidepferd zu sein und hin und wieder etwas im Kopf beschäftigt zu werden.“
„Nein absolut nicht.“ Meinte ich.
„So ich muss los, meine Rasselband wartet noch auf mich und meine Eltern kommen heute noch zu Besuch.“
„Viel Spass!“ rief ich hier nach. Ich war gerade ganz froh darüber einfach einmal ein bisschen Zeit für mich alleine zusammen mit meinen Pferden zu verbringen. In letzter Zeit war einfach zu viel los gewesen! Ich hätte eine kleine Auszeit verdient. Doch die nächste Zeit würde wohl nicht viel ruhiger werden. Mein Abschluss im Reisebüro, Orio einreiten, mich um Tirina kümmern, Madonna reiten, mich um meine Töchter kümmern,... und dazu kam noch all das, was unvorhergesehen war. Doch ich hatte davon in letzter Zeit echt genug abbekommen. Entschlossen dem Leben die Stirn zu zeigen und das positive zu sehen, sprang ich vom Holzzaun. Ich ging zu Madonna und putzte sie gründlich durch. Auch sie hatte noch viel Winterpelz und wenn es so warm bleibt wie jetzt musste ich sie wohl scheren, denn sie schien schon fast nur vom auf der Weide stehen zu schwitzen. Ich zog ihr den Zaum an und ging los. In Richtung Wald. Ich liebte den Wald, dort fühlte ich mich am wohlsten. Mit den Gedanken weit weg bummelten wir kreuz und quer durch den Wald. Die ersten Vögle sangen und hier und da waren schon einige hellgrüne zarte kleine Blättchen zu sehen. Die Welt erwachte aus dem Winterschlaf. Es kam eine Bank in Sicht und es juckte mich in den Fingern. Wie gerne ich auf Madonnas Rücken klettern würde! Doch was hielt mich eigentlich davon ab? In 4 Tagen wären es 3 Monaten und darauf kam es jetzt wirklich nicht an. Kurzentschlossen schwang ich mich auf ihr Rücken. Fühlte sich das toll an! Ich liess die Bein baumeln. Ich trieb Madonna an und ganz selbstverständlich setzte sie sich in Bewegung. Ich strahlte über das ganze Gesicht wie ein Maikäfer. Es fühlte sich so an als würde ich fliegen, ich konnte die ganze Welt umarmen. Ich bog mal da mal da ab ohne jegliches Ziel. Ich dachte weder an die Hürden, die womöglich kommen würden, noch an sonst irgendwas. Ich genoss den Moment einfach mit allen Sinnen. Verdammt, wie ich das reiten vermisst hatte! Ich hätte die ganze Welt umarmen können. Ich hatte plötzlich das grosse Verlangen meine Freude, mein Glück mit jemanden zu teilen. Ich zog mein Handy hervor und suchte Tobias Nummer und fand sie dann schliesslich auch.

Hoi du, sitze gerade auf Madonna! Lg Lucy

Du sitzt auf Madonna? Das heisst du reitest wieder? Darfst du das schon?

Eigentlich erst in 4 Tagen, aber mach mir jetzt kein schlechtes Gewissen. Ich lasse mir meine Freude nicht zerstören.

He! Ich habe ja gar nichts gesagt, bloss gefragt.

Schon gut.

Ich freu mich für dich! Ich denke auch wenn ich nur zur Hälfte des Glücksgefühl, dass du empfinden musst, nachempfinden, muss sich das gigantisch anfühlen.

JA, es ist gigantisch mega ausserordentlich riesenmässig toll – und das beschreibt es immer noch nicht.

Kann ich mir vorstellen.

Bist du in nächster Zeit mal wieder in der Nähe?

In 2 Wochen bin ich wieder übers Wochenende bei meiner Tante. Wollen wir uns dann mal treffen? Wie wär es mit einem Ausritt auf Tirina und Madonna?

Tirina können wir wegen ihrer Sehne nicht nehmen, aber wir werden schon ein Pferd auftreiben. Klingt toll, um 14 auf dem Gestüt?

Ist gut, bis dann.

Bis dann. Pass auf dich auf.

Lucy, das schreibst DU mir?^^ Das kannst du viel eher gebrauchen. Das schlimmste was mir passieren ist, dass ich vor Langweile jetzt dann während der Vorlesung ab dem Stuhl kippe, weil ich eingeschlafen bin. Bis dann, stell keinen Blödsinn an!

Habe ich das irgendwann gemacht?

Mmh... Nicht direkt.

Eben. Bis dann.

Bis dann.

Ich blickte von meinem Handy auf. Verdammt, dass war eigentlich gar nicht mein Verhalten, auf dem Pferd SMS schreiben. Das konnte echt gefährlich enden... Doch eigentlich hatte ich ja nur das aller erste schreiben wollen, beruhigte ich mein Gewissen. Ich sah vor mir zwischen den Bäumen durch eine Wiese und darauf Pferde. Gestüt Silvermoon. Madonna hat ganz automatisch den Weg eingeschlagen. Naja, wenn ich schon einmal hier war, konnte ich auch gerade noch einen Stopp einlegen. Ich ritt also aus dem Wald und auf den Hof zu. Zoey war die Erste, die mich bemerkte und kam auf mich zu geschlossen. Madonna war zum guten Glück an die Hündin gewöhnt. Ich ritt zwischen den Weiden durch und hinüber zum Stall. Cate entdeckte mich dann als zweite.

„Lucy!“ meinte sie böse.
Ich grinste sie nur scheinheilig an. „Was ist?“
„Ach vergiss es einfach. Ich hätte mich schon viel eher wieder auf den Pferderücken geschwungen. Also darf ich dir keine Vorwürfe mache, aber Dad wird es bestimmt tun.“
„Es sind ja nur 4 Tage...“
„Du weisst wie Dad ist. Regeln sind Regeln und wenn wir gerade dabei sind, dann steig schnell ab, bevor Max oder Dad dich sieht. Du hast nämlich keinen Helm auf.“
„Upps.“ Meinte ich bloss und sprang ab. Doch es war zu spät, Dad kam schon um die Ecke.
Betreten sah ich zu Boden. Ich wollte ihn ganz einfach nicht enttäuschen und ich wäre ja eigentlich auch gar nicht ohne Helm geritten. Ich hatte es ja zumindest nicht vor... Verlegen biss ich mir auf die Lippe.
„Eigentlich müsste ich dir jetzt ja jede Menge Vorwürfe machen Lucy, aber...“ Eigentlich, hatte er ‚eigentlich’ gesagt!?
„aber was?“ fragte ich verduzt.
„Deine Freude steht dir aufs Gesicht geschrieben und ich vermute mal, dass du es nicht geplant hast, weil du auch kein Sattel dabei hast. Ich will für ein Mal die Augen zu drücken, aber wehe das kommt ein zweites Mal vor!“
Ich blickte ganz erstaunt von Dad zu Cate und wieder zu Dad. Geschah das gerade wirklich? Dad war ja ganz okay, auch wenn ich nicht ganz immer Schlau aus ihm wurde, weil er seine Gefühle gut verbergen konnte, aber eigentlich war er fast genau so wie man sich einen Vater wünschen würde. Er stand, wenn es drauf an kam, hinter einem. Doch was seine Reit-Regeln an gingen, da duldete er keine Wiederrede, keine Übertretung. Und ich hatte gleich gegen die Helm Regel und gegen mein Reitverbot verstossen.
„Jetzt schau nicht so verdutzt aus der Wäsche, Lucy. Und Cate mach den Mund wieder zu.“ Doch das bewirkte nur, dass wir beide noch mehr staunten.
Dad schüttelte nur den Kopf. „Ich muss los, es kommt gleich noch eine Person vorbei für ein Gespräch. Wenn was ist, fragt Max. Er sollte im Stall sein.“ Wir nickten. Wenn Dad solche Termine hatte – angefangen bei Verkaufsgesprächen und geendet bei Besuchern für eine Stallbesichtigung, weil sie ev. ihr Pferd hier in die Ausbildung geben wollten – duldete Dad keine Störung. Cate und ich hatten beide hier schon ihre schmerzlichen Erfahrungen machen müssen, wenn man die Regel nicht beachtete...
Ich brachte Madonna in „meine“ Boxe auf Gestüt Silvermoon. Madonna war es sich gewohnt für einige Stunden hier zu sein. Einmal waren es sogar wenige Tage, die wir hier verbrachten. Freudig machte sie sich über die extra Portion Heu her. Ich schlenderte über den Hof zurück zu Cate und fragte mich, was Dad wohl für ein Gespräch hatte. Ich grüsste Tadji, die ich auf dem Reitplatz entdeckte, die Bodenarbeit mit Bounty machte. Ich sah ihr ein wenig zu. Max stellte sich zu mir.
„Ich habe Madonna im Stall gesehen. Heisst das, dass du...?“
Ich grinste ihn an.
„Wenn ich in dein Gesicht schaue ein eindeutiges Ja.“
Wir sahen beide dem Duo auf dem Platz zu.
„Weißt du mit wem Dad gerade ein Gespräch hat.“
„Ja mit Tom. Tom... ähm ich glaube er heisst. Gillighan zum Nachnahmen, bin mir aber nicht sicher. Er kommt ursprünglich aus Amerika, war dann aber einige Zeit im Monte Cassino bei Edoardo Rossero in Italien. Er ist eigentlich mit dem Western vertraut, aber hat in Italien sich mit dem englischen Reiten auseinander gesetzt. Er reitet nicht schlecht, aber sein western Stil schimmert immer noch durch...
„Kann es sein, dass Tom, der Tom von Lisa ist?“
„Ja genau. Er war zusammen mit Lisa hier und hat sich erkundigt, ob der Job immer noch zu vergeben sein und ob er als nicht besonders guter englisch Reiter doch genommen wird.“
„Und?“
„Also mir und Tim war er sympathisch, wie er mit den Pferden im Stall um ging, Tim wird ihn heute auf ein Pferd setzten und dann sehen wir weiter.“
„Weiss du, warum er nach Deutschland will?“
„Er möchte weiter kommen, aber scheinbar hat Edoardo Rossero nicht so viel Zeit für ihn. Er gibt immer den Starreitern von Monte Cassino stunden und seine kommen etwas zu kurz...“
„Was denkst du, nimmt Dad ihn.“
„Mir ist Tom sympathisch und wenn er sich auch nur halbwegs auf dem Pferd halten kann, würde ich ihn nehmen...“ meinte Max lachend.
Ich nickte und war gespant ob Dad ihn nehmen würde. Auch mir war er sehr sympathisch rübergekommen, nicht zuletzt auch weil er Englisch sprach. Ich sah Tatjana und Bounty wie sie Bodenarbeitsübungen machten zu.
„Max darf ich dich was fragen?“
„Nur zu Lucy.“
„Von wo kennst du Tatjana und warum hast du ausgerechnet ihr Bounty damals gegeben?“
„Ach das ist eine lange Geschichte.“
Ich lachte. „Ach was die lässt sich sicher kurz fassen.“
Max sah mich mit traurigen Augen an. „Nein, manche Geschichten dauern leider auch kurz gefasst sehr lange.“ War da Schmerz in seinen Augen zu sehn? Hatte ich wohl unbeabsichtigt eine wunde Stelle getroffen? Ich dachte über seine Worte nach. Es hatte schon etwas Wahres dran. Müsste ich meine Geschichte erzählen würden auch keine fünf Minuten reichen – nicht einmal eine Stunde würde vermutlich reichen. Der Teil in London, ja den konnte man vielleicht kürzen, aber alles was dann folgte, damit konnte ich locker ein ganzes Buch füllen. Ich sah hinüber zu Tatjana und Bounty. Mir brannte die Frage auf der Zunge. Konnte ich es fragen? Wäre da nicht der Schmerz in Max Augen gewesen, hätte ich nicht gezögert. Doch er war da. Trotzdem siegte meine Neugier.
„Ich habe den ganzen restlichen Tag zeit.“
Max seufzte. „Okay. Ich werde dir die Gesichte erzählen, aber lass mich das auf dem Spaziergang mit Honeymoon machen.“
Ich war etwas überrascht aber ich willigte ein. Aber wenn ich schon einen Spaziergang machte, wollte ich Mel und Liv mitnehmen. Ich packte sie also in ihren Kinderwagen und wartete auf Max, der Moony noch schnell geputzt hatte. Man sah dem Hengst langsam sein Alter schon etwas an, mein Vater liess ihn nur noch an ganz kleinen Turnieren starten, wenn überhaupt. Wir machten uns auf den Weg. Zoey kam zu uns gelaufen und wir nahmen sie mit. Max schwieg lange. Ich brannte auf die Geschichte, doch ich wusste, dass ich schon sehr weit gegangen war mit der Aufforderung sie mir zu erzählen. Ich wollte nicht noch mehr drängen. Das würde nichts nützen. Er würde sich womöglich nur verschliessen. Geduld, war der Schlüssel zum Erfolg. Tirina hatte mich das gelehrt, denn wenn ich sie drängte, brach sie die Verbindung ab. Wir waren schon eine Weile gelaufen, als er eher zu sich selber als zu mir sprach:

„Du bist der erste Mensch, dem ich das erzähle. Nicht einmal Tim habe ich alles erzählte.“ Er starte gerade aus, ich konnte sein Gesicht nicht sehn. Geduldig wartete ich, dass er weiter sprechen würde. „Er hat mich als Bounty wieder auftauchte, natürlich nach der Person, bei der sie die ganze Zeit war ausgefragt. Ich habe ihm gesagt, dass ich Tatjana schon kenne seit ich denke kann. Wir sind gleich alt und waren Nachbarn. Wir gingen zusammen in die Schule, verbrachten unzählige Stunden miteinander. Als wir älter wurden, da haben sich unsere Interessen etwas verändert, jeder hatte auch noch andere Freunde, aber das gemeinsame Interesse an Pferden verband uns immer. Sie liebte Pferde schon seit ich denken konnte, hat mich so zu sagen damit angesteckt, denn sie wollte in jeder freien Minute auf den Pferdehof und ich musste gezwungenermassen einfach mit. Doch ich habe dann na dies na das wunderbare Geschöpf Pferd kennengelernt und lieben gelernt. Tadjis grösster Wunsch war schon immer ein eigenes Pferd gewesen, doch ihre Eltern konnten es sich nicht leisten und später wuchs bei ihr das Geld auch nicht auf den Bäumen...“
Ich wusste, dass es sehr gewagt war, eine Frage zu stellen, aber ich wagte das Risiko. „Und deswegen hast du ihr Bounty gebracht, weil du wusstest, dass sie die Stute über alles lieben würde und sie sich aber ein eigenes Pferd nicht leisten konnte?“
Max sah mich mit traurigen Augen an. „Jein. Das war auch ein Grund. Ich wusste, dass Tim an Bountys Blick zerbrachen würde und die leere in Bountys Augen, wenn die Tür auf ging, aber Nataly nicht rein kam, ertrug ich nicht mehr länger. Ich wusste, dass Tadij Bounty die Liebe geben würde, die sie verdient hatte. Und ich habe Tatjanas Leben zerstört, es war das mindeste was ich für sie noch tun konnte. Mindestens ein Traum konnte ich ihr erfüllen...“
Ich wollte fragen, was er mit ‚Ich habe Tatjanas Leben zerstört’ meinte, doch ich war klug genug mich zurück zu halten.
„Was ich dir bisher erzählt habe, weiss Tim, aber der Rest nicht. Er weiss nicht, was für eine wichtige Rolle sie in meinem Leben spielt und was für eine ich ihn ihrem...“
Mein Gott, war Max am Ende noch mit ihr zusammen gewesen und hat Schluss gemacht oder so was? Ich schluckte. Musste ich immer alte Wunden aufreissen? Gab es überhaupt einen Ort, an dem es keine Wunden gab, die ich unbeabsichtigt wieder aufreissen konnte? Doch das diese Wunde, die ich aufriss, noch viel grösser und viel tiefer war als ich mir auch mit viel Fantasie vorstellen vermochte, konnte ich nicht ahnen. Diese Wunde war nicht bloss eine Verzwickte Liebesgeschichte, diese Wunde stammte von einer viel grösseren Sache.

ff

sehr schön :)
Es ist toll, das du wieder reiten kannst, dass madonna so ein tolles, braves pferd ist und dass dein Vater mit Tom redet :)
du hast alles echt schön beschrieben, auch den teil, an dem du wieder arbeiten gehst, und ich finde es wirklich toll, dass du deinen alltag bald wieder (versuchst) in den griff zu bekommen, mit zwillingen, pferden, arbeiten und allem drum und dran..
schade, dass tirina immer noch nicht fit ist :(
und jetzt verstehe ich auch die ganze geschichte mit max^^
ich bin mal gespannt, wie orio sich anstellt beim einreiten :)
& du hast ja echt glück, dass deine zwillinge so ruhig sind, im gegensatz zu ben^^

Danke!

Wie es mit dem Gespräch von Tim ausgeht, weisst du ja. *Grins*. Und ja ich versuche den Alltag wieder zur erobern und auch wie es mit Orio weitergehen soll, weiss ich schon. Und Tirina: Ich denke bald wird es ihr schon besser gehen (lieg ja in meiner Hand XD) Aber ich habe selber schon 3 Sehnenschäden miterlebt - einer hatte ein Pferd, dass ich ganz selten ritt, die andern standen einfach bloss im selben Stall. Das eine Pferd war auch eher älter wie Tirina und bei dem ging es sehr lang, bis wieder alles okay war. That's life. ;)
Jep ich habe echt Glück, dass ich Mel und Liv habe statt Ben. :D Zwar habe ich das Doppelpack, aber das ruhige Doppelpack ^^

hehe, das ruhige Doppelpack :D
ja, so ein sehnenschaden zieht sich leider ganz schön...