„Windeln?“, fragte mich Vivi und schaute mich verwirrt an. „Also schwanger bin ich nicht und Roisin auch nicht. Also kann es nicht sein, dass da Windeln steht“, sagte sie nachdenklich und griff dann nach dem Einkaufszettel, der noch auf dem Tisch lag. Unterdessen spielte ich mit dem Pflaster an meiner Hand, wo ich mir gestern die Innenfläche der Hand am zerbrochenen Spiegel etwas geschnitten hatte. Es blutete nicht mehr, jedoch ließ ich es drauf. Schlechtes Karma, das war die Bestrafung für meine Doofheit gegenüber Flavio. Alleine der Gedanke an ihn, brachte mir kurz die Tränen in die Augen, jedoch konnte ich sie schnell unterbinden. Dann brach plötzlich Vivi in ein herzhaftes Lachen aus. „Oh Jessi!“, rief sie und hielt sich den Bauch vor Lachen. Was war denn nun so witzig daran? Ich funkelte sie an und zog die Augenbrauen zusammen. „Nun schau doch nicht so böse! Das zieht bei mir nicht! Außerdem hast du dich verlesen. Ok, ich gebe zu. Ich hab schrecklich geschrieben, aber da steht nicht Windeln, sondern Wirsing.“ „Oh“, gab ich etwas schockiert von mir und starrte sie etwas komisch an. „Oh? Ja, Oh! Ziemlich verlesen!“, lachte sie und legte den Zettel wieder weg. „Ok. Ok. Mein Fehler, sorry!“, murmelte ich und zog mich dann in mein Zimmer zurück. Ich wollte nun in den Stall, damit ich pünktlich mich auf den Weg machen konnte. Heute machte ich mich nämlich auf den Weg in meine Heimat, um Montagabend mit meinem Pferd wieder herzukommen. Ich schnappte mir meine kleine Reisetasche, die für Wochenenden gerade perfekt war, da ich dort alles unterbringen konnte und verstaute sie wenig später im Auto.

Auf dem Hof angekommen führte mich mein Weg zu Cody, den ich dieses Wochenende bestimmt vermissen würde und ich froh war, ihn als Reitbeteiligung behalten zu dürfen. Ich schlenderte den Weg zu den Weiden entlang und entdeckte den Fuchs schon recht früh in der Gruppe. Sein größtenteils weißgefärbtes Gesicht hatte er in das etwas tiefere Gras gesteckt und es schimmerte dort hindurch. Er hatte seine Outdoordecke an und sah noch sauber aus oder er zeigte mir gerade seine Schokoladenseite. Ich griff nach dem Strick, der dort war und kletterte über das Gatter. Dann ging ich auf den Wallach zu und spielte mit dem Strick in meinen Händen. Der Wallach schaute zwar mir kurz entgegen, widmete sich aber wieder dann dem Gras zu. Erst als ich bei ihm war, schaute er noch einmal hoch und ließ sich den Strick einhacken. Dann nahm ich ihn mit zum Anbindeplatz.

Am Anbindeplatz traf ich auf Nina und Julia und grüßte sie kurz. „Na, dein letzter Tag vor dem Wochenende? Wir sind gespannt auf dein Pferd“, meinte Julia und kam mit Nina zu mir und Cody hinüber. „Ja, mein letzter Tag“, sagte ich und lächelte beide an. „Na, heute kein klingelndes Handy?“, neckte mich Nina und zog die Augenbraue in die Höhe. „Nein. Dieses Mal nicht“, antwortete ich brav, während ich Cody, die Decke auszog und mich kurz verabschieden musste, da ich seine Sachen holen wollte. Als ich zurückkehrte stand nur noch Nina da und lächelte mir entgegen. „Ist denn alles wieder in Ordnung?“, fragte sie, während ich nach der Kardätsche griff und anfing ihn zu bürsten. „Nein. Ich habe es noch schlimmer gemacht“, antwortete ich ihr und lächelte ihr kurz schief entgegen. „Oh“, murmelte sie und nahm sich eine Wurzelbürste aus dem Putzkasten. Sie half mir schweigend Cody für das heutige Training fertig zu machen und ich bedankte mich über diese Unterstützung, bevor ich rüber in die Halle ging.

Ich betrat die Halle, nachdem ich mir sicher gegangen war, dass mir Lucy ihr „ok“ gegeben hatte und gurtete zügig nach, dann stieg ich elegant auf den Fuchs auf. Lucy zügelte ihre Madonna neben mir und begrüßte mich freundlich. „Ich hab gehört, du fährst heute zurück in deine Heimat und kommst Montagabend mit deinem Pferd wieder. Darf man fragen, was er so ist?“ Ich grinste sie an und schüttelte kurz den Kopf. „Das werdet ihr Montag alle sehen. Ich schätze, dies ist früh genug.“ Sie verzog kurz das Gesicht, grinste dann doch. „Okay“, sagte sie und grinste mich an. „Was ist los mit dir? Du bist so nachdenklich?“, fragte mich Lucy und schaute mich mit einer Mischung aus Neugier und Besorgnis an. „Ja, ich denke nur gerade viel über was nach. Tut mir Leid“, antwortete ich und schenkte ihr ein kurzes Lächeln. „Das braucht dir nicht leidtun. Das tun wir alle mal“, sagte sie aufmuntern und strahlte wieder ein herzliches Lächeln aus, dass sogleich mich etwas munterer stimmte. „Danke, Lucy“, murmelte ich und blickte ihr in die Augen, sodass sie wusste, dass ich es ernst meinte. „Dafür nicht. Und wenn was ist, worüber du reden willst, dann kannst du mit mir gerne reden“, antwortete sie und trieb ihre Madonna wieder vorwärts. Ich schaute ihr kurz hinterher und dann strich ich Cody über den Mähnenkamm. Der Fuchs schritt eifrig voran und beäugte die Halle neugierig. In der Halle standen noch einige kleine und große Hindernisse von den Reitstunden. Nachdem ich ihn im Schritt etwas aufgewärmt hatte, sodass er sich etwas biegen und stellen ließ, trabte ich ihn an und leicht. Zuerst meinte er nicht auf meine Hilfen zu reagieren, doch nach einem energischen Auffordern, tat er es dann doch. Auf vielen gebogenen Linien, wärmte ich den Wallach auf und ließ die Bahnfiguren immer enger werden. Mit in meine Trabarbeit band ich einige Cavalettis ein und ging dabei in den leichten Sitz. Als Lucy die Halle verließ, wollte ich nun endlich mit richtigen Hindernissen arbeiten.

Nach und nach wurde er immer geschmeidiger, sodass ich auch die Galopparbeit mit einbezog und auch das ein oder andere Kreuz in Angriff nahm. Der Wallach schien heute einen guten Tag zu haben und Topfit zu sein. Je höher die Hindernisse wurden, umso munterer wurde er und umso mehr machte es mir Spaß mal wieder zu springen. Immer wieder wählte ich ein höheres Grundtempo und umso sicherer Cody wurde, desto mehr forderte ich ihn heraus. Mal ritt ich ein Hindernis vollkommen schräg an und er sprang, mal nahm ich das Tempo raus, sodass er sich vermehrt auf die Hinterhand kommen musste oder ich ritt ihn mehr nach vorne. Cody machte sich es dort passend, wo er es gerade brauchte, nur ab und an wurde es doch mal wackelig. Dann fiel auch schon mal eine Stange, jedoch versuchte ich es dann noch mal und er passte besser auf. Der Wallach lief immer wärmer und ich nahm mir zum Abschluss, ein höheres Hindernis, eins was ihn vorerst an sein Ausbildungslimit brachte. Ein gewaltiger L-Oxer. In einem gleichmäßigen, etwas schnelleren Rhythmus ritt ich auf den Oxer zu.

Ich ritt den Oxer mit einem guten Grundtempo an und wartete förmlich auf ihn. Stück für Stück kam der Oxer näher, der Fuchs spitzte die Ohren, zog gleichzeitig zum Hindernis in einem gesunden Tempo hin. Dabei wurde seine Atmung gleichmäßig schneller und taxierte das Hindernis. Vor dem Sprung gab ich einen letzten Impuls mit Schenkel und Kreuz. Der Wallach brachte seine muskulöse Hinterhand unter den Schwerpunkt, reckte den Hals und stieß sich dann kraftvoll ab. Meine Hände gaben Richtung Pferdemaul nach, bis sie mittig am Hals liegen blieben und mein Oberkörper folgte dieser Spur. Ich schmiegte meinen Körper dicht an den von Cody, sodass ich gerade noch zwischen seine Ohren durchschauen konnte, meine Schenkel blieben so liegen, wie sie waren und bildeten meinen „Schwerpunkt“, sodass ich nicht aus dem Gleichgewicht geraten konnte. Dann folgte auch schon die Landung. Für mich eindeutig viel zu früh, denn der Sprung war einfach zu schön gewesen und ich könnte immer so weiter springen. Ich nahm allmählich wieder Platz im Sattel und richtete mich wieder auf. Ich hörte den Fuchs, bei der Landung, tief ausatmen und setzte seine kraftvolle Hinterhand direkt wieder unter sich und galoppierte routiniert weiter. „Was für ein unglaublich tolles Pferd du bist, Cody!“, lachte ich und klopfte ihn ausgiebig am Hals. „Danke“, säuselte ich ihm noch zu. Dann ging ich in den leichten Sitz und lobte den Wallach nochmal.

Nachdem ich Cody ein paar Bahnen ihm Galopp gönnte und dieses am langen Zügel, trabte ich den Fuchs leicht. Er streckte sich so, wie man es immer sehen wollte, vorwärts-abwärts und schnaubte dabei einige Male. Danach parierte ich ihn zum Schritt durch, warf ihm seine Abschwitzdecke auf die Kruppe. Im Schritt ließ ich die Zügel durchhängen und ließ ihn seine Bahnen ziehen. Er trug mich durch die Bahn spazieren, dabei ließ ich meine Gedanken wieder freien Lauf. Sie liefen im Eiltempo zu Flavio und meine Idee, die ich heute Abend umsetzen wollte.

Am Anbindeplatz wieder zurück, war ich dort allein. Ich nahm Cody den Sattel und Trense ab und verstaute diese in seinem Spind. Danach putzte ich ihn noch mal drüber, aber es brachte nichts. Denn der Wallach hatte doch von dieser eher klein gehaltenen Trainingstunde ziemlich geschwitzt, sodass ich mich entschied ihn mit Abschwitzdecke in die Box zustellen. Schon fast gequält, weil er in seine Box gehen musste, musste ich ihn hinter mir herziehen. „Cody, nun stell dich nicht so an!“, schimpfte ich mit ihm und pikste ihn mit den Fingern in die Seite. Cody schlug aber nur widerwillig mit dem Schweif und ließ sich weiter in den Stall ziehen. Ich verdrehte die Augen, als er merkte, dass frisches Heu in der Box war und stürzte sich regelrecht darauf. „Männer… Wenn es ums Essen geht, seid ihr alle immer ganz fix!“ „Tja, so sind Männer eben!“, gab Vivi von sich, die ich erst jetzt bemerkte und zu mir rüber kam. „Soll ich ihn dir später umdecken?“, fragte sie hilfsbereit und ich nickte ihr nur dankbar zu. „Wie spät haben wir es denn schon? Ich habe keine Uhr dabei“, fragte ich sie und blickte sie fragend an. Sie schaute auf ihre Uhr und antwortete mir dann: „Es ist gerade 12:35 Uhr. Warum?“ „Oh, dann muss ich mich langsam auf dem Weg machen. Ich wollte noch vor der Dunkelheit dort sein.“ Vivi wollte noch etwas sagen, doch da unterbrach ich sie auch gleich wieder und verabschiedete mich von ihr. Nachdem ich mich auch vom Rest des Hofes verabschiedet hatte, was eigentlich nicht so mein Fall war, stieg ich ins Auto und fuhr Richtung Autobahn.

***gegen 17:15 Uhr ***

Endlich erreichte ich das Gestüt, dass für dieses Wochenende meine Heimat sein sollte. Die Autofahrt hatte gut geklappt, obwohl ich über einige Sonntagsfahrer mich aufgeregt hatte. Mit dem Audi machte es ja auch Spaß schnell zufahren und die Fähre rüber zu der Insel. Daran wollte ich nicht denken. Seitdem ich denken kann, hasse ich Fähren und noch mehr hasse ich sie, weil mir jedes Mal schlecht wird. Seekrank eben. Auf dem Hof wurde ich von Jerome (Angestellter des Gestüts) empfangen, der sich direkt auch freute mich zusehen. Was kein Wunder war, Jerome war der gute Machotyp aus dem Bilderbuch. „Hallo, Jerome“, begrüßte ich ihn etwas klanglos und schenkte ihm aber trotzdem ein Lächeln. „Hallo, Jessi! Die Chefin ist dieses Wochenende nicht da. Sie schaut sich Pferde im Ausland an, daher hat sie dich nur alleine auf einem Turnier genannt. Ich hoffe es stört dich nicht, wenn ich mitfahre. Ich soll für dich dein TT sein! Achso und außer mir ist momentan kaum einer da, außer Marces. Alle sind sie über das Wochenende weggefahren. Aber Flavio hat dir einen Hänger geliehen, du kannst Montag deinen Jungspund mit in deine neue Heimat nehmen“, sagte er und ich kapitulierte direkt gleich am Anfang. Warum musste er denn so einen französischen Akzent haben! Und auch noch mit ihm auf Turnier, das kann ja was werden! Und warum hatte FLAVIO sich um einen Transporter gekümmert? Ich hatte ihm doch gar nichts gesagt… „Heute Abend hast du frei. Soll ich deine Tasche aufs Zimmer bringen?“ „Nein, das brauchst du nicht. Ich wollte nur eben vorbei schauen und Hallo sagen. Denn ich muss noch was in der Stadt erledigen und das könnte länger werden. Also wartet nicht auf mich. Bis Morgen!“ „Sei pünktlich! Neun Uhr ist Abfahrt!“ Jerome schaute mich prüfend an, doch ich ignorierte dies. „Ja, pünktlich!“, sagte ich nochmal mit Nachdruck und wandte mich wieder zum Gehen, jedoch nicht zu meinem Auto, sondern einen ganz besonderen Kerl musste ich noch begrüßen und eine Runde drehen.

„Marces?“, fragte ich und schaute den Sportfahrer an, der gerade einem Friesen das Brustgeschirr überzog. „Ja, Jessi“, antwortete dieser, ohne mich anzuschauen und drehte sich erst nach dem Auftrensen zu mir um. „Bekomme ich nicht erst ein Hallo?“, fragte er mich grinsend und kam dann samt dem Friesen zu mir. „Kannst du mich eben raufschmeißen?“, entgegnete ich ihm und grinste ihn dann auch an. „Klar, kann ich das! Du willst so auf’s Pferd?“, fragte er dann doch erstaunt, nachdem er mich kurz gemustert hatte und zog die Augenbrauen hoch. „Ja, für eine kurze Strecke ins Gelände reicht das!“, antwortete ich ihm selbstbewusst und stützte mich auf dem Widerrist, sowie Rücken ab. Dann hielt ich mein linkes Bein demonstriert nach oben und sagte dann feixend: „Und? Was ist nun?“ Er schüttelte nur kurz den Kopf, kam dann zu mir und griff mir am Bein. „Pass auf dich auf. Du weißt, dass er erst 4 ist!“, warnte er mich und drückte mich dann mit seiner Kraft nach oben. „Ohh!“, entfuhr es mir erschrocken und versuchte noch schnell mich am Mähnenkamm festzuhalten. „Du hast mich fast rüber geschmissen!“, protestierte ich und rutschte auf der Outdoordecke zu Recht, die ich ihm angelassen hatte. Ich hatte ihm nur eine Trense aufgeschnallt und mich schon umgezogen. So saß ich nun in Jeans, Stiefel, Bluse und einer leichten Jacke auf meinem Schatz, natürlich noch einen Helm. „Ich weiß, dass er erst 4 ist, aber so fest ist er doch schon, dass er eine Runde um den Hof überlebt!“, lachte ich und schaute zu Marces runter. „Einen guten Tag, Marces Norwid!“, sagte ich und lachte ihn an. Dann wandte ich den jungen Hengst und ritt zum Sandweg. Ich konnte über die Schulter sehen, dass Marces den Kopf schüttelte und den Rappen hinter sich herzog.

Der Apfelschimmel schritt eifrig schnaubend voran und spielte mit den Ohren. Diese Strecke kennt der junge Mann schon aus dem FF. Schon als Absetzer hatte ich ihn immer über diese Strecke geführt und hatte da eher weniger Angst, dass er plötzlich mal was machte. Mittlerweile musste er sogar schon wissen, wie jeder einzelne Pfahl vom Weidenzaun neben an, aussah. „Ich habe dich so vermisst, mein Kleiner!“, sagte ich und strich dem Hengst über den Hals. Er schnaubte einmal tief, als würde er es bestätigen und trottete weiter auf dem Sandweg weiter. „Meinst du, ich sollte zu ihm fahren?“, fragte ich meinen Hengst nach einer Weile und schaute kurz in den Himmel auf. Ich hatte die Bewegung meines Hengstes wirklich vermisst, wie er trat. So kraftvoll und elegant. „Ja, ich sollte zu ihm fahren. Ich hoffe er ist noch in seinem Büro!“, stieß ich plötzlich aus und gab meinem Hengst eine energische Trabhilfe. Dieser brummte kurz, dann ließ er sich doch zu einem flotten Trab ermuntern. Mit großen Tritten setzte sich dieser in Bewegung und war kurz überrascht, wegen dieser großen Übersetzung. Cody hatte nicht so ein großes Gangwerk, wie mein kleiner Schatz, aber der Hengst war ja auch noch nicht so gut sich selber aufzunehmen. Unter der Outdoordecke merkte ich wenigstens nicht den spitzen Widerrist, was auch so ganz gut war. Ich lenkte ihn zwischen den Weiden durch und auf den direkten Weg zum Hof zurück.

„So Süßer. Ab in deine Box!“, sagte ich zu dem Hengst und zog ihn den Hengststall hinunter. Dann hielt ich vor einer Box an und nahm ihm die Trense runter. Neben ihm stand sein Halbbruder, der kurz ein Brummel von sich hören ließ. Naja, es war ein Halbbruder von vielen. Jedoch sah mein Hengst gar nicht so aus, wie sein Halbbruder, denn dieser war ein Fuchs. Außerdem standen sogar auf der Deckstation Tsubasa Stables noch zwei Halbgeschwister von ihm, es war unfassbar, was für einen tollen und erfolgreichen Daddy mein Kleiner hatte. Ich war wieder einmal überwältigt davon, dass der Kleine mir gehörte und wie viel Potenzial in ihm steckte. „Tschüss, mein Kleiner“, sagte ich zu ihm und strich ihm noch einmal über die Nase, bevor ich die Boxentür schloss. Bevor ich die Trense weg hing, sah ich noch einmal auf sein Boxenschild, als müsste ich nachschauen, ob es wirklich seine Box war. „Redminds Accento HG“, stand schön geschlungen auf dem Boxenschild. Mein Herz machte noch einmal einen großen Satz.

Mit dem Audi brauste ich nun die gewohnte Strecke in die Innenstadt. Vorher hatte ich sie tagtäglich beinahe gefahren, doch ich musste zugeben, es hatte sich einiges in den zwei Wochen getan. Es wurden viel mehr Hochhäuser gebaut und die süße ländliche Landschaft war fast unter neuen Industrieanlagen verschwunden und dass in nur 2 Wochen. Oder hatte ich darauf nicht wirklich geachtet? Ich bog mit dem Audi nun rechts in die Firmengasse ein. Die Straße nannten wir alle so, weil eine Firma direkt neben der Anderen stand und ein Wohnhaus stand in der gesamten Straße nur eines und das war eine halbe Villa. Ich suchte mir ein Parkplatz direkt vor der Haustür einer der Firmen und schaute das 3 Stöckige Gebäude an. Es war so, wie ich es noch vor 2 Wochen mal betreten hatte. Groß, leichter Blauton im Weiß, große einladende Fenster und eine riesige gläserne Eingangstür. Ich seufzte und war mir plötzlich in der ganzen Sache nicht mehr so sicher, wie vorher. Sollte ich dies nun wirklich tun? Ja! Ja, ich war bereit dafür! Mein Herz machte augenblicklich einen Luftsprung und schlug gleich ein wenig schneller.

Ich betrat das große Foyer und schaute mich um. Früher war ich oft hier gewesen, als ich noch hier war und wir uns gut verstanden. Hinter dem Empfang saß eine blondhaarige Dame in einem schicken Strickkleid –vermutete ich, nach dem Schnitt zu urteilen und komplett gemacht. Ich hingegen war in einer schlichten dunkelblauen Jeans, roséfarbene Bluse, dazu trug ich meine sandfarbenen flachen Stiefel und einer vollgesabberten – Pferde, nun mal – Jacke. Meine Haare waren nur zu einem schlichten Pferdeschwanz gemacht und Schminke hatte ich gar nicht aufgetragen. Ich holte tief Luft, bevor ich auf den Empfang mit der Blondi zusteuerte. Die Dame hob kurz den Kopf, musterte mich und ließ ihr verächtlichen Blick wieder auf ihre Arbeit wandern. Unfreundliches Ding! „Guten Tag. Ich möchte gerne zu Herr Steinert“, gab ich höflich von mir und schenkte ihr ein frostiges Lächeln. Sie musterte mich wieder mit einem verächtlichen Blick und antwortete dann: „Herr Steinert ist gerade beschäftigt. Lassen Sie sich vorher bitte ein Termin geben.“ Dann senkte sie ihren Blick wieder auf ihre Arbeit. „Es ist wichtig. Sehr wichtig“, sagte ich dringlich und schaute sie immer noch an. „Können Sie ihn nicht wenigstens anrufen und sagen, dass es wichtig ist.“ Die Dame schaute mich wieder an und verdrehte die Augen. Scheinbar begriff sie nun, dass ich nicht gehen würde, bevor sie es nicht versucht hatte. Dann griff sie nach dem Telefon und wählte eine Kurzwahlnummer. „Entschuldigen Sie die Störung, Herr Steinert. Aber hier steht eine Dame, die etwas Wichtiges mit Ihnen besprechen möchte“, sagte die Dame hochnäsig und drehte sich danach zu mir. „Wie heißen Sie nochmal?“, raunte sie genervt zu mir, scheinbar wollte Flavio es nun genauer wissen. „Fielinger, Jessica“, antwortete ich höflich und lächelte sie kühl an. Wer wohl nun am längeren Hebel sitzt, meine kleine Blondi. Ich wandte mich von ihr wieder ab und bestaunte die schönen Gemälde an den Wänden. Sie sagte meinen Namen mit einer gewissen Verabscheuung in der Stimme. „Hallo? Herr Steinert? Sind Sie noch dran?“, hörte ich sie plötzlich ins Telefon fragen. Hatte er einfach aufgelegt?

„Und wer möchte den nun was Wichtiges von mir?“, fragte er genervt ins Telefon und legte den Ordner mit Statistiken und Buchführung zur Seite. „Eine gewisse Jessica Frielinger“, hörte er Ronja’s Stimme aus dem Apparat und sein Herz schien für einen kurzen Moment auszusetzen. Sie war hier! Sie war hier und wollte mit mir reden! Völlig außer Fassung knallte er den Hörer wieder auf die Vorrichte, ohne seiner Sekretärin noch ein Anweisung zugeben und stürmte aus seinen Büro. Vor dem Fahrtstuhl blieb er stehen. Kurz überlegte er. Dann nahm er doch die Treppe, denn man konnte ja 2 Stockwerke locker laufen, bevor so ein Fahrstuhl da war. Er nahm manchmal zwei Stufen auf einmal und die letzten Drei übersprang er gleich. Leicht federte er den Sprung ab und sog kurz die Luft ein. Nur noch eine Tür trennte ihn von ihr und was wollte sie nur hier? Er zwang sich eine ruhige Atmung an den Tag zulegen und öffnete dann die Tür zum Foyer. „Jessi…“ Ihr Name glitt ihm regelrecht ohne Vorwarnung über seine Lippen und sein Herz machte ein Saldo, als er sie dort am Empfang stehen sah.

„Jessi…“ Oh. Alleine seine vertraute Stimme konnte mich umhauen. Ich drehte mich von der perplexen blickenden Dame vom Empfang zu ihm herum. Er sah sehr gut aus in seinem Anzug. Die Haare waren gepflegt gekämmt, aber dennoch waren sie etwas durcheinander, als sei er gerade gelaufen. Seine etwas rötlichen Wangen ließen es auch nicht ausschließen, außer er hätte gerade eine andere Tätigkeit… Nein. Schnell, verbanne diesen Gedanken, Jessi! „Sie können nun Feierabend machen, Ronja“, hörte ich ihn wieder und blinzelte ihn an, da er mich aus meinen Gedanken geholt hatte. „Aber ich muss noch…“, protestierte die Blondi, die wohl Ronja hieß, doch Flavio winkte ab. „Sie haben für heute genug gemacht. Guten Abend noch und schönen Feierabend“, sagte er mit Nachdruck und schenkte ihr einen von seinen berühmten hau-nun-endlich-ab-Blick.Ha, Blondi! 1:0 für mich! Die Blonde kuschte sofort und verließ wenig später die Firma. Ich hatte mich in der ganzen Zeit nicht einen Zentimeter gerührt, sondern schaute nur Flavio an. „Hallo, Jessi. Ich hab gehört du möchtest mit mir reden?“, sagte er grinsend und kam auf mich zu. „Bist du die Treppe runter gelaufen?“ Seine Augen funkelten kurz auf und ich wusste seine Antwort. Ich schaute kurz verlegen zu Boden und sagte: „Ja, ich möchte mit dir reden. Aber nicht hier unten. Können wir in dein Büro gehen?“ Er nickte kurz, dann machte er grinsend ein paar Schritte auf mich zu, bis er dicht vor mir stehen blieb und mir ein Kuss auf die Wange gab. Dann legte er mir den Arm um die Taille und führte mich zum Lift.

Wir schwiegen den ganzen Weg bis in sein Büro, bis er die Tür schloss. „So… Und nun kannst du mir genau erklären, was dich zu mir führt“, entgegnete er und trat dicht hinter mir. Es machte mich nervös, dass er nach meinem schlechten Benehmen am Telefon und gestern immer noch so mühelos mit mir reden konnte, als sei nichts geschehen. Ich brauchte Abstand zu ihm, sodass ich auf seinen Schreibtisch zuging und ich mir den offenen Ordner genauer ansah. „Buchhaltung? Seit wann schaust du denn da drüber? Hast du kein Vertrauen mehr zu deinen Blondis?“, fragte ich ihn etwas spöttisch und studierte weiter im Ordner herum. „Hmm.. Einen kleinen Überblick sollte man immer haben. Aber ich glaube eher weniger, dass du hier bist, nur weil du dich um meine Finanzen sorgst“, antwortete er und hob eine Augenbraue hoch, als ich mich wieder zu ihm umdrehte. „Vielleicht doch“, murmelte ich und lehnte mich an den Schreibtisch. Plötzlich waren meine Beine so weich und wollten schon fast nachgeben. „Jessi… Du bist bestimmt nicht hier um darüber mit mir zureden“, entgegnete Flavio und kam nun zu mir. Dann streckte er die Hand nach mir aus und hielt dann doch inne, ließ sie wieder sinken. „In den letzten Tagen ist ziemlich viel passiert und ich wollte mich erklären. Ich kann dich verstehen, dass du mir nicht vertrauen möchtest, tust, kannst…Was auch immer. Aber du musst mir glauben… Hätte ich gewusst, was du für mich empfindest, dann…“ Er stockte und biss sich auf die Unterlippe. „Was ist dann?“, fragte ich und funkelte ihn an. „Schau mich nun nicht so böse an. Du weißt genau, was dann nicht passiert wäre!“, giftete er zurück und beugte sich dicht vor mein Gesicht. „Ich hätte niemals mit Josi geschlafen… Es wäre mir nie in den Sinn gekommen.“ „Achja?“, fragte ich nochmal nach und verschränkte dabei meine Arme vor der Brust. Doch er funkelte mich genauso an, wie ich ihn und ließ sich auch nicht weiter beirren. „Ja. Ich hätte dich und nun… Nun stehst du vor mir und funkelst mich böse an, als würdest du mich am liebsten Umbringen. Dabei versuche ich dir schon seit einer geraumen Zeit zu erklären… Dass ich, seit dem wir uns zum ersten Mal richtig gezofft hatten und uns danach versöhnt haben, in dich verliebt bin! In dieser Zeit habe ich dich so sehr vermisst. Ich hatte genauso viel Angst unsere Freundschaft zu schaden, wie du!“, gab er leicht zornig von sich, doch im nächsten Moment wurde er direkt wieder weich, „Jessi. Warum hast du nie über deine Gefühle erzählt? Ich habe zwar mit der langen Zeit, die wir nun miteinander als beste Freunde verbracht haben, dich schon an deiner Gestik zu verstehen gelernt, aber wenn du doch einmal mit mir geredet hättest…“ Ich schaute ihn mit großen Augen an. Hatte er mir gerade eine Liebeserklärung gemacht? Träume ich? Hatte dieser wunderbare Mensch mir gerade wirklich seine Liebe gestanden? Er blickte mich leicht besorgt an, da ich nichts weiter gesagt hatte, sondern ihn nur anstarrte. „Hast du gerade versucht mir eine Liebeserklärung zu machen?“, gab ich leicht kichernd von mir und beugte mich zu ihm hin, sodass nur ein oder zwei Zentimeter unsere Lippen voneinander trennten. Er schaute mich erst entgeistert an, dann grinste er und sagte etwas beleidigt von sich: „Eigentlich schon. Scheinbar war sie nicht besonders gut, aber wenigstens habe ich mein kleines Mädchen amüsiert.“ „Klein! Ich geb‘ dir gleich klein!“, fuhr ich ihn lachend an und schlang die Arme um seinen Hals. „Klein kannst du mir nicht geben… Da muss ich dich enttäuschen. Groß… Ja, groß kannst du es mir geben. Aber nicht jetzt. Damit lassen wir uns Zeit!“ Flavio schlang die Arme um meine Taille und drückte mich lachend an sich. „Du bist un…“ Dann verstummte ich, denn Flavios weichen, vollen Lippen legten sich wie Frost auf meine.

Hmm… Sie schmeckte so voll und nach mehr. Ihm wurde nun bewusst, wie sehr er sich nach diesem Moment gesehnt hatte. Er hatte sich schon viel zu lange gefragt, wie ihre Lippen sich wohl auf seinen Anfühlen würde und nun überwältigte ihn das Gefühl. Nun umfasste er ihre Taille noch fester und zog sie noch mehr an sich. Sie ließ es zu und stieß ihn nicht weg. Er spürte ihren Körper an seinem, ganz und griff ihr dann mit einer Hand in die Haare. Dieses sture und dickköpfige Mädchen hatte eine Art an sich, die ihn einfach immer wieder umhauen konnte und hoffte, dass sie nun mehr über ihre Gefühle reden würde. Er wollte einfach mehr über ihre Gefühlswelt wissen, auch wenn sie es oftmals mit ihrem Körper schon aussprach, so wollte er es lieber aus ihrem Mund hören. Besonders drei Wörter.

Wir fuhren auseinander, als sein Bürotelefon klingelte und biss mir auf die Unterlippe. Warum musste es denn ausgerechnet jetzt klingeln? Doofes Ding! „Sorry, Süße. Aber da muss ich kurz ran“, meinte er und setzte sich auf sein Chefsessel. Dann nahm er das Gespräch entgegen und verdrehte jedoch gleich die Augen. „Hallo, Mum“, sagte er ins Telefon und ich musste unwillkürlich loskichern. Dafür kassierte ich einen bösen Blick und noch einen Augenverdreher, dieser war aber an mich gerichtet. „Ja, Mum… Mach ich… Heute Abend?“, entfuhr es ihn heißer und schaute mich etwas schockiert an. Was war heute Abend? „Ok… Aber ist das nicht ein wenig spät mir das jetzt erst zu sagen?... Und wie stellst du dir das nun vor? Es ist schon 19 Uhr!... Ok. Du brauchst dich um keine Begleitung zu kümmern. Ich habe eine“, sagte er vielsagend ins Telefon und funkelte mich dabei an. Ohoh… Wofür musste ich den wieder herhalten? „Nein. Sie wird dir gefallen, weil du sie schon gaaannzz lange kennst und du magst sie sogar sehr… So wie Dad!… Ja, dann bis gleich.“ Er legte den Hörer wieder auf die Vorrichte und grinste mich breit an. „Du hast nicht zufällig Hunger?“, fragte er mich und stand nun wieder von seinem Stuhl auf. „Wieso sollte ich keinen Hunger haben? Ich habe heute kein Mittag gehabt“, antwortete ich ihm und rieb mir den Bauch. „Was gibt es denn?“ „Mum und Dad sind von Tante Gina eingeladen worden. Und ich soll nun mit, aber mit Begleitung. Tante Gina kann es nicht leiden, dass ich schon so alt bin und immer noch Junggeselle bin“, gab er von sich und kam dabei auf mich zugelaufen. Dann legte er mir den Arm um die Taille und zog mich wieder an sich. „Und da hab ich mir gedacht, dass ich dich gut mitnehmen kann. Tante Gina kennt dich doch auch und da wir …“ Er verstummte und griff mit der freien Hand nach meiner, dann fing er an meinen Handrücken mit seinem Daumen zu massieren. Eine schöne Massage ist das. Eine kleine Berührung konnte in mir so viel auslösen. „Also du möchtest nun, dass ich dein Escort-Dame spiele?“, fragte ich ihn und er schüttelte den Kopf. „Nicht spielen, sondern leben“, flüsterte er und küsste mich dann auf den Mund. Kurz, aber sinnlich. „Hmm.. Ich glaube ich kann mich daran gewöhnen“, sagte ich dicht an seinem Gesicht und schaute ihm auf den Mund. „Gut, dann auf. Sonst kommen wir zu spät. Sie hat uns schon für 20 Uhr eingeladen ins Patrice“, gab er von sich und ließ mich so schnell los, dass ich kurz um mein Gleichgewicht bemüht war. Mit schnellen Schritten ging er um seinen Schreibtisch herum und klappte den Ordner zu, sortierte ihn danach sorgfältig ins Regal zu den Anderen hinein. „So können wir?“, fragte er dann und streckte mir seine Hand hin. „Wie jetzt?... Ich… Ich soll so dort hingehen?“, stotterte ich ungläubig und machte eine kurze Handbewegung, um ihn zu zeigen, wie ich momentan aussah. „Ja. So gefällst du mir auch“, gab er kokett von sich und griff dann nach meiner Hand. Bevor er mich hinter sich herziehen konnte, stöhnte ich ein leises, aber deutliches „Aua“ aus. Erschrocken drehte er sich um und drehte meine Handfläche nach oben. „Hab ich dir wehgetan?“, fragte er mich besorgt und schaute mir dann in die Augen. „Nur ein wenig“, murmelte ich und gab ihm einen Kuss. „Halb so wild.“ „Das ist gestern wegen mir passiert. Nicht wahr?“ Ich schüttelte den Kopf und lächelte ihn dann an. „Komm. Sonst sind wir zu spät!“ Ich sah, dass Flavio ein kurzes Lächeln auf den Lippen hatte, dann schaute er noch einmal meine Hand an.

„Und was passiert mit meinem… äh… deinem Auto?“, fragte ich ihn, während er mir die Beifahrertür von seinem Audi A6 Allround, der etwas von einem SUV hatte. „Jason kann ihn zu mir nach Hause bringen“, gab er von sich und schloss die Tür. Und wer bringt den dann wieder zu mir? Flavio lief einmal um den weißen Audi um zu und stieg dann auf der Fahrerseite ein. „Aber wie kommt er dann zu mir?“, gab ich verwirrt von mir, da ich nicht wusste worauf er hinaus wollte. „Du kannst ihn dann morgens wieder mitnehmen“, antwortete Flavio sachlich und schenkte mir noch ein herzhaftes Lächeln, bevor er sich in den Verkehr einfädelte. „Ich verstehe nur noch Bahnhof“, sagte ich klanglos und ließ die Schultern in das weiche Leder fallen. „Wie komme ich den zu meinem… äh deinen Auto?“, wiederholte ich meine Frage, nur etwas anders gestellt. „Du schläfst bei mir?“ Etwas schockiert sah ich ihn an und zog die Augenbrauen in die Höhe. „Ich hab eine große Wohnung und ich wäre wenigstens in einer schönen Gesellschaft“, meinte er und grinste kurz zu mir hinüber. „Achso und meine Reisetasche?“ „Die hast du heute Abend bei mir daheim, wenn Jason den Wagen holt. Ich sage ihm später Bescheid.“

20 Minuten später parkte Flavio das Auto vor dem Nobelrestaurant und öffnete mir kurze Zeit darauf die Tür. „Ich hoffe Sie haben großen Hunger, my Lady“, sagte er höflich und reichte mir seine Hand, als Hilfe zum Aussteigen. Ich legte meine Hand in seine und stieg aus dem Wagen. „Ich hoffe Sie haben nicht im Halteverbot geparkt“, gab ich zurück und grinste ihn an. „My Lady, lassen Sie das ganz meine Sorge sein“, entgegnete er und reicht mir seinen Arm. Ich hakte mich glücklich bei ihm ein und ließ mich rüber zum Eingang führen. Eine junge Dame in einem schicken schwarzen Cocktailkleid empfängt uns und nachdem Flavio seinen Namen genannt hatte, führte sie uns auf ihren süßen Stöckelschuhen zu unserem Tisch.

An dem Tisch saßen schon seine Tante Gina und seine beiden Eltern. Flavio begrüßte seine Mutter Sophie mit einer Umarmung, seinem Vater George schüttelte er die Hand, bevor er ihn kurz umarmt und Tante Gina gab er einen Kuss auf die Wange. „Ach wie schön! Du hättest uns doch gleich sagen können, dass du Jessi mitbringst!“, sagte Flavios Mutter zu ihm und warf ihm einen bösen Blick zu, dann umarmte sie mich. „Schön dich wieder zusehen, Kindchen.“ „Ich freue mich auch“, gab ich von mir und lächelte seine Mutter an. Dann wandte ich mich seinem Vater zu und begrüßte ihn mit einem Händeschütteln. „Schön Sie wiederzusehen, Frau Frielinger“, sagte dieser und nickte mir kurz noch einmal zu. Flavios Vater war schon immer förmlich gewesen und ich hatte ihn zudem lange nicht mehr gesehen. Nun ging ich zu Tante Gina, um sie zu begrüßen. Auch ihr schüttelte ich die Hand und begrüßte sie höflich: „Hallo, Frau Steinert.“ „Guten Tag…“, entgegnete diese und schaute dann zu Flavio hoch. Ihr war wohl scheinbar mein Name entfallen, aber das konnte ich ihr auch nicht verübeln. Sie hatte mich höchstens 5-6 Mal gesehen. „Tante Gina, das ist Jessica Frielinger. Meine…“, stellte er mich mit einem breiten Lächeln und Stolz in der Stimme vor, doch er konnte seinen Satz nicht komplett beenden. „Achso“, gab sie gleichgültig von sich und nickte mir nur kurz noch einmal zu, so wie sein Vater es gemacht hatte. Etwas irritiert sah ich zu Flavio der nur die Achseln zuckte und mich dann zu meinem Stuhl neben seiner Mutter begleitete. Wie ein Gentleman schob er mir den Stuhl erst weg und dann wieder unter mein Gesäß, sodass ich perfekt am Tisch saß. „Also ich nehme den Krabbencocktail…“, gab seine Mutter von sich und lächelte kurz in die Runde.

Als wir später am Dessert angekommen waren, war ich schon satt. Aber ich wollte nicht so unhöflich sein und versuchte noch die zwei Kugeln Eis in mir unterzubringen. Nachdem ich aufgegessen hatte, nahm ich einen kleinen Schluck vom Wasser und lächelte kurz zu Flavio rüber. Dieser hatte mir nämlich gerade seine Hand unterm Tisch auf mein Knie gelegt und lächelte mich ebenfalls an. „Und als was arbeiten Sie, Frau Frielinger?“, schreckte mich Tante Gina aus Flavios Magie und etwas verwirrt schaute ich sie an. „Ich… Ich bin Turnierreiterin hier auf einem Gestüt, wohne aber seit kurzen in Hofling in Deutschland“, antwortete ich ihr höflich, obwohl ich mich für meinen kurzen Stotterer am Anfang umbringen hätte können. „Achso. Ich dachte Sie wären auch im Managerwesen tätig. Schließlich haben Sie doch auch ihr Abi und hätten studieren gehen können. Was ist so interessant an einem Beruf mit Pferden?“, fragte sie mich mit herablassender Stimme und schaute mir hochnäsig in die Augen. Was sollte das denn nun werden? „Ich arbeite gerne mit Pferde zusammen. Ich fühle mich wohl in diesem Beruf und würde ihn momentan wirklich nicht wechseln wollen“, antwortete ich weiterhin höflich, auch wenn ich ihren Tonfall nicht angemessen fand. „Wollen Sie meinen Neffen heiraten?“ „Tante Gina, ich glaube nicht, dass es dich gerade etwas angeht!“, sagte Flavio ruhig, aber dennoch sah meine seine Gereiztheit in seinen Augen aufblitzen. „Ich will ja nur wissen, ob Sie gut genug für dich ist, Schätzchen“, entgegnete sie ihm mit weicher Stimme und schaute mich dann wieder an. „Vielleicht will Sie ja nur dein Geld? Bis jetzt hattest du doch sonst auch immer Geldgeile Flittchen.“ Wie bitte? Geldgeile Flittchen! Ich höre wohl doch schlecht oder?

„Jessica, kommt selber aus einer sehr gutverdienenden Familie und Sie hat nie viel Reden über sich gemacht“, verteidigte mich nun auch Flavios Mutter und ich funkelte nun böse Tante Gina an. Was reicht, das reicht! „Ich bin weder auf sein Geld scharf, noch mag ich es, dass man in der 3.Person über mich redet, obwohl ich anwesend bin! Ich finde es unerhört, wie Sie mit mir reden! Nur weil ich keinen bestbezahlten Job habe, heißt das nicht gleich, dass ich Flavio nur wegen seinem Geld nehme! Auch wenn er nur 2 Pennys auf seinem Konto hätte, würde ich ihn nicht verlassen! Ich liebe ihn so, wie er ist!“, fuhr ich sie wütend an und stand auf. Dann wandte ich mich an Flavio, der mich aus einer Mischung von Faszination und Entsetzen anschaute und sagte sanft zu ihm: „Entschuldige, Flavio. Aber ich möchte nun gehen.“ Zuerst brachte er nichts raus, doch dann stand er ebenfalls auf und antwortete: „Ja. Ich fahre dich.“ Dann wandte ich mich wieder der kleinen Runde zu und erst jetzt bemerkte ich, dass sein Vater mit mir zusammen aufgesprungen ist. Eben ein echter Gentleman, der weiß, wie er sich benehmen musste. „Entschuldigen Sie mich. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend“, entgegnete ich höflich und nickte kurz in die Runde. „Gina, du benimmst dich gerade wie eine Glucke!“, fuhr seine Mutter Tante Gina an und sah dann freundlich zu mir auf. „Natürlich. Mir tut es leid für dieses Benehmen!“, sagte sie dann sanft zu mir, stand auf und umarmte mich. Sein Vater trat zu uns und nahm mich auch kurz in den Arm, meinte dann: „Wir sehen uns ja bestimmt morgen früh beim Frühstück. Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht.“ „Danke sehr. Ich Ihnen auch“, säuselte ich zu ihm und schon bot mir Flavio sein Arm an. „Auf Wiedersehen, Frau Steinert!“, sagte ich höflich und hakte mich wieder bei ihm ein. „Gute Nacht, zusammen“, meinte Flavio etwas unschicklich und führte mich aus dem Restaurant.

Kaum saß ich im Auto, fing ich an zu schluchzen und mir liefen nur so die Tränen. „Hey Süße. Es ist doch alles ok“, sagte Flavio beruhigend zu mir und strich mir über die Wange. „Wir fahren nun nach Hause und dann genießen wir noch etwas so den Abend. Was hältst du davon?“, fragte er mich und fädelte sich gekonnt wieder in den fließenden Verkehr ein. Ich nickte nur schwach und wischte mir die Tränen aus den Augen. „Wie kann sie mich nur so hassen?“, fragte ich immer noch schluchzend einfach in den Raum und schniefte einmal laut. „Sie hasst dich nicht. Aber mit meinen letzten Freundinnen habe ich ziemlich… wenn ich es so ausdrücken dürfte: Ins Klo gegriffen“, antwortete er mir und streichelte mir den Oberschenkel. „Wir fahren nun erst einmal nach Hause und dann mache ich einen Wein auf und wir genießen einfach die Zeit zu Zweit. Ich finde das hört sich gut an.“ Ich musste einfach loslachen. „Soll ich mich nun besaufen, weil ich mich total schlecht fühle und du mich besser ins Bett kriegst?“, feixte ich ihn kichernd und musste dann doch mehrmals Luft holen. Erst weinen und dann lachen ist manchmal nicht ganz so sinnvoll. „Hmm… Vielleicht“, gab er von sich und grinste mich schelmisch an. Flavio hatte Wort gehalten, vor dem Haus stand *mein* Audi, samt meiner Tasche.

Seine Wohnung bei seinen Eltern war immer noch so, wie ich sie das Letzte mal gesehen hatte. Naja, bei seinen Eltern lebte er indirekt. Die Wohnung die er bezogen hatte, nachdem er 18 geworden war, lag oben im Dachgeschoss, nur die Treppe verband beide Wohnungen miteinander. So hatte er seine Privatsphäre, ohne das seine Eltern alles mitbekommen würden. Die Wohnung war groß und geräumig und im modernen Style eingerichtet. Schlicht weg. Sie gefiel mir wirklich gut. „Rotwein? Jahrgang 2000? Ich habe leider nur einen lieblichen Rosé hier“, gab Flavio hinter mir Preis und verschwand sogleich in der Küche. Ich wanderte weiter in sein Wohnzimmer. Es war mein Lieblingsort bei ihm. In der einen Ecke stand ein großer schwarzer Flügel, auf den er ab und an mal spielte. Ein großes einladendes Sofa stand in der Mitte des Raumes, an der Wand hing ein großer Fernseher. Es gab auch einige Regale, in denen alles Mögliche stand und das Herz des Raumes machte der große Kamin aus.

Ich schlenderte zum Flügel hin und setzte mich auf den Hocker. Dann fuhr ich mit dem Zeigefinger über die Klaviatur, schlug dabei ein paar Töne wahllos an. „Du magst diesen Flügel oder?“, fragte er mich und stellte die Gläser, sowie die geöffnete Flasche Rotwein oben auf dem Flügel ab. Dann setzte er sich links neben mich auf den Hocker und nahm meine linke Hand. Ich nickte kurz zur Bestätigung und verfolgte seine Finger auf meiner Hand, die mich leicht streichelten. Er beugte sich zu mir her und gab mir einen Kuss. Ich wollte ihn gerade erwidern, doch da zog er sich wieder zurück und schlug ein paar Töne auf dem Flügel an. Fasziniert verfolgte ich seine Finger, bis ich seine Melodie erkannte. Er spielte mir mein Lieblingslied von Yann Tiersen: Comptine d'un autre ete l'apres midi. Eines der bekanntesten und der tollsten Stücke aus der fabelhaften Welt der Amélie. Ich mochte den Film, er zeigte etwas übers Leben und dieses Lied verpackte alle Gefühle in eines. Flavio spielte dieses Lied so fehlerfrei, wie ich es in Erinnerung hatte. Er war in der Hinsicht ein wahrer Künstler. Ab der Mitte war ich dann damit beschäftigt meine Tränen zurück zu halten und schniefte kurz. Doch nach einer Zeit kämpfte ich nicht weiter dagegen an, sondern ließ sie einfach kullern. Als er schließlich verstummte, schaute er mich lächelnd an. Doch von jetzt auf gleich verzog er das Gesicht zu einem besorgten Blick und zog mich an sich heran. „Oh, das wollte ich nicht! Es tut mir leid, Süße!“, flüsterte er und küsste mich aufs Haar. „Halb so schlimm. Ich liebe es, wenn du diesen Song spielst“, schluchzte ich und hob den Blick, um ihn anzulächeln. Wir saßen einige Zeit so, bis meine Tränen komplett getrocknet waren, bevor wir uns auf das Sofa umsiedelten und den Wein anfingen zu trinken. Nebenbei plätscherte der Fernseher etwas auf uns ein.

„Süße? Du hast vorhin etwas gesagt zu meiner Tante…“ Er hielt inne und schaute zu mir herunter. „Was hab ich denn zu deiner Tante gesagt?“, fragte ich ihn und hob meinen Blick, um ihn anzuschauen. „Na… Was bestimmtes.“ Er sah verlegen aus und wusste nicht ganz, was er wirklich sagen sollte. „Ich weiß immer noch nicht, was du von mir möchtest. Tut mir Leid“, verneinte ich und blickte ihn fragend an. „Naja. Ist eigentlich auch egal“, sagte er dann schnell und gab mir einen Kuss. Er schmeckte nach dem süßen Rosé und nach mehr. Ich erwiderte den Kuss heiß, er zog mich dichter an sich heran und streichelte mit seinen Händen meine Taille. Dann erst merkte ich, was er vor hatte und hielt kurz inne. „Heute noch nicht“, flüsterte ich und gab ihm noch einen Kuss. Er nickte, dann lagen seine Lippen wieder auf meinen.

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So der zweite Teil ;D Ich hatte ihn zwar schon fertig, habe ihn aber nun noch einmal überarbeitet :D Laut Word sollen es irgendwie um die 11 Seiten sein *Stolz auf mich sei* Ich hoffe es ist okay, dass ich meinen mit eingebaut, da ich ja nun nicht mehr auf Tsubasa bin sondern auf Redmind ^^

Gelesen! Bewertung kommt morgen, respektive heute in ein paar Stunden.

Der Bericht ist dir mal wieder super gelungen! :)

Danke dir ^^

Ausführlichkeit: 45/50
Personen: 20/30 (Josi, Flavio, Vivi)
Schicksal des aktuellen Monats: ?(10)/20 (das eine ist doch das das mit der Liste, oder?)
Aufgabe des aktuellen Monats: ?/10
Handlung: 45/50
Gesamt: 120/160

Levelaufstieg und so beim nächsten...

Ja, das eine ist aus das mit der Liste ^^ :D sorry, hatte ich nicht mit ran geschrieben..

wow, man fühlt richtig die Gefühle für Flavio :)
echt super geschrieben!

Danke ^^