In Gedanken versunken saß ich am Küchentisch und wartete, bis Davi aus dem Bad kam und sich zu mir gesellte. Während ich wartete, schweiften meine Gedanken überall hin, sie ließen sich weder zurück halten noch kontrollieren und da es keine sonderlich negativen Gedanken waren, wehrte ich mich auch nicht gegen sie.

Es war jetzt eine Weile her, seit ich hier eingezogen war. Mit Davina verstand ich mich wirklich sehr gut und es hatte sich eine Vertrautheit eingestellt, die ich schon lange nicht mehr erlebt hattte. Nicht so intensiv wie mit Saskia, aber ich ließ Davi schon nach kurzer Zeit näher an mich heran als fast alle anderen Menschen in meinem Leben. Wie heißt es so schön? Viele Menschen treten in dein Leben aber nur wenige hinterlassen Spuren in deinem Herzen. Dieser Spruch traf wohl zu einhundert Prozent auf mich zu.

In den wenigen Tagen hatte sich schon eine fast beunruhigende Routine eingestellt. Beunruhigend deshalb, weil nach kurzer Zeit schon alles so vertraut war. Morgens frühstückte ich zusammen mit Davi, dann fuhr diese zu ihren Pferden und ich erledigte allerei Kleinkram, war viel im Internet unterwegs und powerte mich bei der Gartenarbeit aus. Gestern war ich noch vor dem Frühstück eine Runde um den See gejoggt, aber sonst hatte ich unser Grundstück noch nicht verlassen. Mittags kam Davi dann nach Hause, wir aßen zusamen eine Kleinigkeit und dann fuhr sie wieder zum Hof, während ich meine Arbeiten fortsetzte. Nachmittags oder Abends war Davina dann entgültig zu Hause und wir kochten etwas zum Abendessen, unterhielten uns stundenlang oder Chris kam Davi besuchen und ich verzog mich. Zum Beispiel war vorgestern Chris dagewesen, dafür hatten wir gestern endlos lange gequatscht.

"Morgen" Davi betrat die Küche und unterbrach damit meine Gedanken. "Morgen" erwiderte ich. Etwas zerstreut setzte meine Mitbewohnerin sich neben mich an den Tisch. "Kommst du gleich mit einkaufen?", fragte sich, schmierte sich gleichzeitig ein Brot. "Klar, gerne" Davi schenkte mir ein kleines Lächeln und biss in ihr Brot, sie sah auch so aus, als wäre sie mit den Gedanken ganz woanders. "Schon komisch, hm?" Verdattert sah ich von meinem Teller auf. "Was?" "Das wir uns so gut verstehen. Ich bin eigentlich ziemlich schüchtern und taue nicht so schnell auf. Oder geht dir das anders?" "Nein, eigentlich kann ich nicht gut mit Menschen oder um es deutlicher zu sagen: Ich habe lieber 5 Pferde um mich, die nach mir treten und schnappen als einen Menschen der etwas von mir will und lieber 10 solcher Pferde als nur einen Menschen, der hämisch grinst" Etwas überrascht von meiner eigenen Ehrlichkeit schenkte ich Davi ein verlegenes Lächeln. "Kann ich begrenzt gut verstehen", murmelte Davina leise. Danach herrschte erst mal Schweigen, aber ich empfand es nicht als unangenehm. Davi gehörte zu den Menschen, mit denen man auch mak schweigen konnte.

Schließlich, als wir unser Frühstück fast beendet hatten, unterbrach Davina das Schweigen. "Hoffentlich regnet es heute nicht. Eigentlich war Sonne angesagt, aber danach sieht es nicht aus" Sie starrte mit düsterem Gesicht aus dem Fenster. "Naja, es ist ja noch früh und was nicht ist kann ja noch werden. Und wenn nicht, dann gehe ich höchstpersönlich zur nächsten Wetterstation und beschwere mich!" Ich musste ein bisschen grinsen. Und wieder senkte sich Schweigen über den Tisch, jede hing ihren eigenen Gedanken nach. "Nimmst du mich mit?", platzte es plötzlich aus mir heraus. Davi guckte mich verwundert an, ihr Gesicht war ein einziges, großes Fragezeichen. "Zur Wetterstation?!?!" "Nein, zu deinem Hof" Davi lachte leise. "Achso, sag das doch, ich dachte schon.... Ja klar, Nina und Julia, die Hofleiterinnen, freuen sich bestimmt, wenn ich jemanden neues anschleppe. Und wir haben echt tolle Pferde da. Wenn wir eingekauft haben, können wir gerne zusammen dahin fahren, ok?" Ich nickte dankbar, schluckte meinen letzten Bissen Brot herunter und räumte meinen Teller brav in die Spülmaschine. Davi tat es mir gleich. "In 10 Minuten treffen wir uns an der Haustür und gehen dann los zum Einkaufen, alles klar?", fragte die junge Frau dann. "Kein Problem" erwiderte ich und tappte Richtung Bad, um mir die Zähne zu putzen und meine Haare irgendwie zu bändigen. Anschließend musste ich an der Haustür noch exakt 4 Minuten auf Davi warten, die noch mit Stofftüten kämpfte. Aber irgendwann hatte sie es dann doch geschafft, mir eine Stofftüte in die Hand zu drücken, sich selber eine in die Jackentasche zu stopfen und ihre Schuhe & ihre Jacke anzuziehen. "Könnnen wir los?", fragte sie dann. "Ich warte nur auf dich", erwiderte ich leicht grinsend und wir verließen das Haus.

Wir legten den Weg zum Laden stillschweigend zurück. Es war noch relativ früh morgens und kaum einer war unterwegs, warum sollte man auch an einem Sonntag früh aufstehen, wenn man nicht unbedingt musste? "Woran denkst du?", fragte Davi mich dann doch kurz bevor wir angekommen waren. "An nichts bestimmtes", erwiderte ich automatisch, auch wenn das nicht ganz richtig war. Ich hatte an meine Adoptiveltern gedacht... Sie hatten noch nicht mal versucht mich anzurufen, immerhin hatten sie meine Handynummer... Und das kränkte mich zutiefst, auch wenn ich am liebstens nie wieder etwas mit ihnen zu tun haben wollte. Doch das sie noch nicht mal versuchten, sich mit mir zu versöhnen machte mich nur noch wütender. Seit Saskias Tod und nach meiner Entlassungs aus der Psychatrie hatte ich in einer kleinen Wohnung über dem Stall gewohnt, war den ganzen Tag mit den Pferden beschäftigt gewesen und hatte meine Therapie gemacht. Meine Adoptivmutter hatte ale 4 Tage einmal angerufen, punkt halb 10 und immer exakt 10 Minuten mit mir über belanglose Sachen geredet. Ich hatte ihnen zwar nicht gesagt, dass meine Pschologin mir zu einem Neuanfang geraten und das ich daraufhin die Schweiz verlassen hatte, aber wenn ich ihnen wirklich etwas bedeutet würde, hätten sie angerufen oder zumindest irgendwie versucht, mit mir Kontakt aufzunehmen. Aber egal. Das war jetzt Vergangenheit, meine Adoptiveltern waren Vergangenheit.

Davi und ich betraten den Laden und trennten uns dann, um den Einkauf schnelle über die Bühne zu bringen. Davi riss den gestern von uns erstellten Einkaufszettel in zwei Hälften, drückte mir eine in die Hand und verschwand im Regaldschungel. Ich warf einen prüfenden Blick auf meine Liste:

3 Packungen Nudeln
2 Dosen Tomatensoße
1 Salatkopf
Verschiedenes an Weingummi & Lakritz, sowie Bonbons, Chips und Salzstangen
Käsenuggets
4 Tiefkühlpizzen(Mozarella, Funghi, Salami, Pasta)
1 Gurke
Ein Netz Paprika
2 Kästen Wasser(Glasflaschen)
3 Flaschen Saft(Orange, Apfel, roter Multivitamin)
1 Packung Reis
200 Gramm Käse
4 Eimer Pferdeleckerlis (Kräuter, Banane, Brot, Apfel)

Ich war schon zweimal mit Davi hier gewesen und kannte mich deshalb einigermaßen aus, den Rest fand ich auf gut Glück, nur bei den Leckerlis scheiterte ich kläglich. Schließlich blieb ich mit meinem vollen Einkaufswagen etwas planlos zwischen den Tütensuppen und der Schokolade stehen und versuchte strategisch heraus zu finden, wo ich am Besten suchen sollte. Zum alles abgehen war es zu voll, ich kam mit dem Einkaufswagen kaum durch und wollte deshalb lieber versuchen, mit Logik an die Sache heran zu gehen. Nur leider schien es hier kein System zu geben. Und einfach einen fragen brachte ich nicht übers Herz.

"Entschuldigen Sie, kann ich Ihnen helfen?" Erschrocken zuckte ich zusammen, als eine Stimme direkt hinter mir erklang. Ich drehte mich um und sah direkt in ein Paar fragende braune, warme Augen. "Ähm" Gute intelligente Aussage, Judith!, gratulierte ich mir innerlich und brachte immerhin ein verlegenes Lächeln zustande. "Ich... ähm... Ich suche Pferdeleckerlis" Die Frau musterte mich aufmerksam und lächelte dann leicht. "Und lassen Sie mich raten, Sie wissen nicht, wo Sie suchen sollen?" Ich nickte. "So sahen Sie auch aus. Sollen Ihnen den Weg zeigen?" Meine Güte war das peinlich. Ich nickte wieder und ging der Frau einfach nach, überließ es ihr, sich den Weg frei zu kämpfen und war erleichtert, als sie mich vor einem Regal 'parkte', in dem neben Strumpfhosen und Spülbürsten auch Leckerlis zu finden waren. "Danke", ich seufzte erleichtert auf und belud meinen Wagen mit den 4 gewünschten Sorten. Die fremde Frau stand immer noch neben mir, als würde sie auf etwas warten. Ich merkte, wie ich verlegen wurde und natürlich ließ ich die prompt den letzten Eimer Leckerlis - Geschmacksorte Kräuter - auf den Boden fallen. Eine Mutter mit ihrem Kind drehte sich sofort zu mir um, die Mutter einen verachtenden Blick im Gesicht, das Kind grinste sich einen ab. "Rums gemacht!", sagte es freudig zu der Mutter. "Manche Menschen haben eben ihre Finger nicht unter Kontrolle" bemerkte die Mutter und zog ihren Sprößling weiter. Flammende Röte überzog meine Wangen und ich bückte mich schnell nach dem Eimer. Doch die helfende Frau von eben war schneller und reichte mir den Eimer mit einem kleinen Lächeln. "Danke", murmelte ich und wandte mich zum Gehen. Nur weg hier!

"Kommen Sie, dass kann doch jedem Mal passieren. Hören Sie nicht auf diese Frau, der Kommentar sollte eher mich verletzen oder die Verachtung dieser Frau gegenüber mir zum Ausdruck bringen" Verdattert blieb ich stehen. "Was? Warum das denn?" "Nicht so wichtig" Plötzlich sah die Frau ziemlich verletzlich aus. "Ich bin übringens Leisha, sag ruhig du" "Judith. Ungewöhnlicher Name" Leisha lachte "Ein relativ geläufiger Name in den USA, mittlerweile bin ich stolz, so zu heißen. Es gibt einige Vorbilder von mir mit dem Namen" Auch ich kannte eine Leisha, eine Schauspielerin, aber das verschwieg ich der Leisha vor mir lieber. "Ich wette, du kommst nicht von hier" Leisha und ich bewegten uns langsam Richtung Kasse. "Ist das so offensichtlich?", fragte ich mit der Andeutung eines schwachen Grinsens. "Mit 'hier' meinte ich Deutschland. Du hast einen ausgeprägten Akzent, den ich aber nicht zuordnen kann" "Ich komme überall her, habe in England, Irland, Norwegen und der Schweiz gelebt" "Und was verschlägt dich dann hier hin?" "Meine Vergangenheit", erwiederte ich knapp. Leisha fragte nicht weiter, sondern wechselte das Thema. "Mit Menschen hast dus nicht so, stimmts?" Ich biss mir auf die Lippe "Wie kommst du dadrauf?" "Jeder normale Mensch hätte gefragt, wo die Leckerlis sind und nicht gefühlte 4 Stunden vor den Tütensuppen gestanden" "Warum fragst du dann noch, wenn du es eh weißt?", fragte ich erschöpft. "Keine Ahnung. Ich wette mal, du kennst hier kaum jemanden. Hast du Lust dich mal auf einen Kaffee oder so zu treffen?" Das ging mir alles viel zu schnell, aber Leisha schien ganz ok zu sein, also nickte ich. Absagen konnte ich immer noch. "Gut, dann gib mir mal deine Nummer" eher zögernd diktierte ich ihr meine Nummer, sie klingelte mich an damit ich auch ihre Nummer hatte und verabschiedete sich dann. Immer noch verwirrt von dieser Begegnung führte ich meinen Weg zur Kasse fort.

Davina war auch gerade erst eingetroffen, sie hatte kreuz und quer durch den ganzen Laden rennen müssen und so viel mehr Zeit gebraucht, während ich fast alles an einem Fleck vorgefunden hatte. "Sorry", entschuldigte sie sich und räumte ihre Sachen zu meinen auf das Fließband. "Ich habe nicht lange gewartet" winkte ich ab und sah der Kassiererin zu, wie sie im Schneckentempo alle Sachen scannte und dabei den genervtesten Blick der Welt an den Tag legte. Mürrisch nannte sie uns einen Preis, Davi bezahlte und wünschte freundlich einen guten Tag, doch die Kassierin hatte noch nicht ein Lächeln für uns übrig. "Dann eben nicht" Schulterzuckend verstaute Davi die Einkäufe weitetsgehend in Tüten und rief dann Chris an, der sich bereit erklärt hatte, unsere Einkäufe nach Hause zu fahren, denn schon alleine die Wasserkästen sind nicht gerade angenehm zu schleppen. Ich lehnte das Angebot ab, mit zu fahren, mit Chris bin ich noch nicht warm geworden und werde es wahrscheinlich auch nicht mehr und so ging ich lieber zu Fuß das kurze Stück.

Zu Hause angekommen half ich Davi mit dem Unterbringung der Einkäufe. "So, ich würde sagen, wir essen noch eine Kleinigkeit und fahren dann zum Stall, das Einkaufen hat ja dann doch etwas länger gedauert" "Gute Idee", stimmte ich zu und Davi und ich fingen an, Nudeln mit Tomatensuppe und Gurkensalat zu kochen.

Who can say where the roads goes? Where the day flows? Only time...

Mein Handy erzählte mir, dass mich jemand anrief. Mit einem Blick aufs Display vergewissterte ich mich, das es wichtig war und sah Davi fragend an. Diese deutete mit dem Gurkenmesser auf die Tür "Geh schon, ich komme klar" Dankbar nickte ich ihr zu und nahm während ich die Küche verließ das Gespräch an.

"Hallo Jennifer", begrüßte ich meine Anruferin und wartete auf die wohlklingende Begrüßung von der anderen Seite der Leitung. "Wie geht es dir?", kam Jenny auch direkt zur Sache und ich erzählte ihr alles. Von meiner Ankunft, von Davi, von Chris, von der Heulattacke am Fenster, von den Problemen mit Chris und seinem Auto, von meinem Tagesablauf, von den Plänen mit Davi zum Stall zu gehen, von unseren Gesprächen, unseren Einkauf, von Leisha, von der blöden Mutter im Laden und so weiter. Jenny hörte einfach nur zu und meldete sich erst am Ende wieder zu Wort. "Die Pferde werden dir gut tun, Judith. Und Leisha auch, du solltest dich mit ihr treffen. Was mir Sorge macht ist die Sache mit den Autos..." Sie brauchte nicht weiter zu reden, ich wusste auch so, was sie sagen wollte. "Ich weiß, ich bin noch sehr instabil" "Judith, du hast mich falsch verstanden. Du solltest stolz auf deine Fortschritte sein, verdammt stolz. Das ist doch völlig normal, dass du noch instabil bist. Aber du solltest darüber nachdenken, dich weiter in Therapie zu begeben" "Ich bin in Therapie" pampte ich zurück. Ich hörte ein Seufzen von Jenny. "Ich kann dich nicht ewig übers Handy therapieren. Der Neuanfang war der einzige Weg für dich, aber du merkst doch jetzt selber, dass es nicht gereicht hat..." Ich schwieg. "Ich mache dir einen Vorschlag. Geh zum Hof, wir warten eine Woche und dann rufe ich dich wieder an. Und wenn die Pferde dich nicht therapieren können, musst du zu einem Psychologen oder gar zu einem Psychater gehen. Wir können nicht zulassen, dass du wieder Rückschritte machst und du musst diese Angst vor Autos loswerden" "Okay" ich merkte selber, wie kleinlaut ich klang. In dem Moment erschien Davi im Türrahmen und formte mit den Lippen "Kommst du Essen?" Ich streckte den Daumen in die Höhe. "Wir telefonieren dann in einer Woche nochmal, ich muss jetzt Essen", würgte ich Jenny ab und folgte Davi in die Küche.

"Sorry, aber das war meine Psychologin" entschuldigte ich mich bei Davi. "Kein Thema" Ich sah die Überraschung in Davis Gesicht, weil ich so offen gewesen war. Ich versuchte ein Lächeln und wir machten uns über unser Essen her.

***

"Judith, bist du fertig?" Unglücklich sah ich in den Spiegel, rief aber ein "Ja!", nach unten. Noch einmal warf ich meinem Spiegelbild einen prüfenden Blick zu, aber das Bild veränderte sich nicht. Es blieb die gleiche, dunkelhaarige und viel zu blasse Frau mit großen, scheuen Augen, der die graue Reithose und der grüne Pulli um den zu dünnen Körper schlackerten. Ich seufzte einmal leise, schlüpfte in meine Stiefeletten und meine Chaps und sah zu, dass ich zu Davina kam.

Kurz darauf waren wir auf dem Weg zum Hof. "Wir nehmen den Bus", erklärte Davi mir. Wir hatten Glück, dass unser Bus fast sofort kam. "Erzähl mir von deinen Pferden", bat ich sie als wir auf den weichen Sitzen Platz genommen hatten und damit hatte ich genau das Richtige getan. Sofort fing Davi an von ihren Schützlingen zu erzählen. Begeistert, aber nicht übertrieben, ausführlich aber nicht langweilig. Ich hörte ihr interessiert zu, sah gleichzeitig aus dem Fenster. Die Landschaft flog vorbei und nach einiger Zeit konnte ich die ersten Pferdeweiden sehen, vereinzelt standen ein paar Pferde da und grasten. Der Bus fuhr um eine Kurve und vor uns erstreckte sich eine große Anlage. "Wir müssen raus" bemerkte Davi und ich folgte ihr beeindruckt. Nach etwas 2 Minuten Fußweg gingen wir Seite an Seite durch das Hoftor und standen auf dem Hof. Er war größer, als ich erwartet hatte, wenn er auch nicht an mein Gestüt ran reichte. "Ich muss mich um meine Pferde kümmern..." Ich sah Davi das schlechte Gewissen an der Nasenspitze an. "Ich komme schon klar, sag mir einfach nur, wo ich Nian und Julia finde" Davi sah mich sehr zweifelnd an, ich machte wohl nicht den Eindruck, als würde ich alleine klar kommen, nickte aber dann und sah sich suchend um. "Lucy!", rief sie dann plötzlich und eine Frau, die gerade im Begriff gewesen war, einen der Ställe zu betreten sah sich um. Davi winkte ihr zu und fragte sie dann, ob sie wüsste, wo Nina und Julia wären.

"Wer sucht uns?" Ich fuhr herum und blickte in zwei freundliche und offene Gesichter. "Hey ihr beiden, das ist Judith, sie wollte sich mal hier ein wenig umgucken, sie ist meine neue Mitbewohnerin", stellte Davi mich vor. "Das ist Julia", sie zeigte auf die eine der beiden Frauen "Und das ist Nina" sie zeigte auf die andere. "Hallo Judith", Julia schenkte mir ein Lächeln und drückte meine Hand. Davina warf einen sehnsüchtigen Blick zu den Ställen und ich gab ihr mit einem Kopfnicken zu verstehen, das sie ruhig gehen konnte. "Wir sehen uns später" warf Davina in unsere Richtung, so dass nicht ganz klar war, wenn sie jetzt meinte und eilte dann zur Sattelkammer.

"Wie können wir dir denn helfen?", fragte Nina nach, als Davi aus unserem Blickfeld verschwunden war. "Ich würde sehr gerne wieder Reiten, Kontakt zu Pferden haben und alles drum und dran" "Wie lange reitest du denn schon?" Ich musste ernsthaft eine Sekunde überlegen. "Seit ich 10 bin" "Und du bist jetzt wie alt?", mischte sich Julia auch ein. "19", antworte ich mit einem kleinen Lächeln. "Also keine Anfängerin mehr, das ist doch schon mal gut. Ich würde sagen, wir sehen uns einfach mal ein paar Pferde an, wir erzählen was über uns und du über dich, ok?" schlug Nina vor, doch dazu sollte es vorerst nicht kommen.

Eine junge Frau erschien auf dem Hof und sah sich suchend um. Als sie Julia, Nina und mich entdeckte, kam sie mit energischen Schritten auf uns zu, aber in ihrem Gesicht spiegelte sich Unsicherheit. "Entschuldigung?" Ihre Stimme klang seltsam monoton und undeutlich. "Brauchen Sie Hilfe?", fragte Nina freundlich nach und wandte sich nach dem letzten Wort höflich zu der Frau um. Diese starrte uns drei nur an und schien auf etwas zu warten. Julia drehte sich jetzt auch um "Do you need our help?", versuchte sie es in Englisch. Ein konzentrierter Ausdruck trat auf das Gesicht der jungen Frau, sie starrte auf Julias Lippen. "Ich verstehe Sie nicht", sagte sie schließlich und ihrer konzentrierten Miene wich Hilflosigkeit, ihre monotone Stimme brach fast weg, so das sie noch weniger zu verstehen war als sowieso schon. In dem Moment fiel bei mir der Groschen. 'Die beiden haben gefragt, ob Sie Hilfe brauchen', erklärte ich der Frau. Ein Lächeln erhellte die Züge der Besucherin und sie machte schnell ein paar kompliziert aussehende Gesten mit den Händen. Julia und Nina starrten die Frau an, die offenbar auf mich fixiert war und drehten sich dann langsam um, aber schnell genug, um noch zu sehen, wie ich der Frau antwortete. "Sie ist gehörlos und heißt Rose" sagte ich zu Nina und Julia gewandt und übersetzte gleichzeitig mit den Händen für die Frau was ich gesagt hatte. Julias Mund stand leicht offen und auch Nina sah sehr verwundert aus.

"Du kannst Gebärdensprache?", fragte beide gleichzeitig. Automatisch übersetzte ich mit den Händen mit, was sie gesagt hatten und antworte dann - ebenfalls mit Übersetzung. "Ja" "Frag sie, ob wir ihr helfen können und stell uns vor", bat Nina. Ich wandte mich an Rose , die darauf hin mit ihrer Stimme antwortete "Sie können mich das auch selber fragen, Sie müssen mich nur dabei angucken und dürfen nicht zu schnell sprechen, ich kann auch ein bisschen von den Lippen lesen" "Ich bin Nina, das ist Julia", machte Nina verlegen den Anfang. "Können wir Ihnen helfen?" "Sie sucht nach einer Unterstellmöglichkeit für ihr Pferd" Übersetzte ich die Gebärden für die Hofleiterinnen. "Das soll jetzt nicht unhöflich klingen, aber warum sagen Sie uns das nicht selber?", fragte Julia. "Sie will, dass ihr sie dutzt. Und es strengt sie an, zu sprechen, weil sie ja keine Ahnung hat, wie das klingt und alles nach Gefühl in der Kehlkopfgegend mühsam gelernt hat und wenn sie Chance dazu hat, gebärdet sie lieber, es ist einfacher und weniger anstrengend" "Achso" Einen Moment lang war es ganz still. "Was haben Sie für ein Pferd?" Diesmal gebärdetete Rose relativ lange und ich musste mich ein bisschen mehr konzentrieren, um mit zu kommen. "Einen Trakehnerwallach, The End Of Days heißt er, kurz einfach Days und ist ein sehr schwieriges Pferd. Sie hat ihn vor 4 Jahren gekauft, als er 5 war. Sie hat ihn kastrieren lassen, aber seine Hengstmanieren hat er behalten und er macht auch so seinem Reiter gerne mal das Leben schwer. Aber sie sind ein gutes Team geworden und weil sie aus beruflichen Gründen umgezogen ist, sucht sie jetzt einen neuen Stall. Und über euren Stall hat sie nur Gutes gehört" "In was für einem Stall stand er denn vorher?", fragte Nina langsam. Ein sprödes Lächeln erhellte für Sekunden Roses Miene "In einem ganz normalen Freizeitstall mit Turnierambitionen. Sie war die einzige gehörlose, aber es hat gut geklappt. Rose kann ja sprechen und konnte dann ganz normal alles erfragen, die anderen konnten ihr auch antworten" "Natürlich sind wir für alles offen, aber du musst verstehen, dass das auch für uns etwas ganz neues ist" "Das versteht sie voll und ganz, sie würde das anfangs eh lieber nur auf Probe machen" Mir trat der Schweiß auf die Stirn, es war verdammt lange her, dass ich so kommuniziert hatte. "An uns soll es nicht scheitern. Mit Judith wollten wir gerade eine Hofführung machen, warum schließt du dich uns nicht einfach an?" Julia machte eine einladene Geste mit den Händen. Rose nickte und sie warf mir einen dankbaren Blick zu. 'Ich kann nur begrenzt mit der Stimme sprechen, ich habe das erst vor 3 Jahren angefangen zu lernen, als ich in einen normalen Reitstall ziehen wollte. Und ich tue mich sehr schwer damit. Ich bin froh, dass es hier eine gibt, die mir helfen kann' gebärdete sie 'Ich hoffe, dass ich hier bleibe und dir helfen kann, aber es ist ja auch erst meine erste Führung hier', antwortete ich. 'Hoffen wirs einfach' Rose grinste während sie gebärdetete. 'Und gleich erzählst du mir, woher du die Gebärensprachen kannst' mit diesen mehr oder weniger Worten drehte sie sich um und folge dem schwarzen Haarschopf von Julia in die Ställe. Ich beeilte mich hinterher zu kommen, dicht gefolgt von Nina.

***

"So, das war so der erste Eindruck. Was denkst du, Rose?" "Einen Moment bitte", gab Rose zögernd zurück und erklärte mir dann, dass sie nicht verstanden hatte, was Julia gefragt hatte, weil es zu schnell gewesen war und sie noch lernen musste, richtig Lippenlesen zu können. Also fungierte ich wie so oft in den letzten eineinhalb Stunden als Übersetzerin, erklärte Rose, was Julia gefragt hatte und wartete dann ab, was Rose dazu zu sagen hatte und übersetzte es wieder für Julia und Nin "Der erste Eindruck war sehr gut, ihr gefällt es wirklích hier. Sie würde sich gerne noch ein bisschen alleine hier umsehen, mal ein paar andere Mitglieder kennen lernen und sich einfach noch ein bisschen mehr einen Eindruck von Stallklima und so verschaffen und würde euch dann in so zwei Stunden Bescheid geben" "Klar, das kannst du gerne machen" "Danke", sagte Rose, bemüht laut und deutlich. "Dann komm einfach in unser Büro, ok?" Rose nickte und verwickelte mich dann in eine schnelle Unterhaltung. 'Treffen wir uns dann am Büro von den beiden? Ich will wissen, wie du dich entschieden hast, bevor ich mich entgültig entscheide' 'Du solltest dein Glück nicht von anderen Menschen abhängig machen, Rose. Aber ja, ich komme gerne' 'Das tust du doch selber, also mach mir keine Vorwürfe', Rose grinste verschmitzt. Darauf fiel mir nichts mehr ein, ich fragte mich nur, woher sie das wusste. Aber ich versprach, mich mit ihr zu treffen, bevor sie aufrecht davon ging und nur mich, eine lächelnde Julia und eine neugierige Nina zurück ließ. "Echt faszinierend, euch so zu sehen.. " "Zurück zu dir", fiel Julia ihr ins Wort. "Wir gehen jetzt nochmal an ein paar Pferden vorbei, die vielleicht in Frage kommen und wenn dir eins spontan gefällt, werden wir mal weiter sehen, okay?" Also stiefelten wir zu dritt wieder in die verschiedenen Ställe und sahen uns verschiedene Pferde an. Ab und an blieben wir etwas länger stehen und Julia oder Nina erzählte etwas über das jeweilige Pferd, aber so richtig sprang bei keinem der Funke über. Langsam aber sicher gab ich die Hoffnung auf.

Ich hatte mal gelesen, dass man einmal im Leben den Einen oder die Eine fand. DAS Pferd. Und da ich dieses Pferd bereits kennen gelernt hatte, wie sollte ich da mit einem von diesen Pferden glücklich werden? Dreamer war ein Traum gewesen. Mein Traum. Meine Sicht verschwamm und ich biss mir hektisch auf die Lippe. Ich wollte nicht weinen und hoffte, dass vor Julia und Nina verbergen zu können. Und entweder funktionierte das wirklich oder die beiden waren taktvoll genug, so zu tun als wäre nichts.

"Hm, das waren so ziemlich alle Pferde, es gibt noch einige Pferde auf der Weide, aber viele sind das nicht" "Ich möchte sie trotzdem sehen" antwortete ich auf Ninas unausgesprochene Frage und die beiden stapften voran zu einer der Weiden. "Wir haben gerade angefangen die Pferde nach der Mittagsfütterung wieder auf die Weide zu bringen, als du kamst", erklärte Julia mir nebenbei. Ich nickte verstehend. Mir fiel es eher schwer, mit den beiden ins Gespräch zu kommen, auch wenn sie verdammt nett waren und es um Pferde ging und so erzählte sie eigentlich die ganze Zeit, ich hörte zu und stellte ab und an eine knappe Frage. Dabei entging mir natürlich nicht der Blick, den Julia und Nina ab und an über meinen Kopf hinweg wechselten. So ganz schienen die beiden nicht zu wissen, was sie von mir halten und wie sie mit mir umgehen sollten. Ich hätte aber auch nicht gewusst, wie ich mit einer stillen jungen Frau umgehen sollte, die alles scheinbar teilnahmslos zur Kenntnis nahm und nebenbei mal eben so Gebärdensprache aus dem Ärmel schüttelte. Nicht das ich irgendwie gewusst hätte, wie ich mit Menschen umzugehen hatte, aber bei mir selber wäre ich total verzweifelt.

Wir hatten die Weide erreicht und sahen uns die Pferdechen an, die direkt am Gatter standen. Ich ließ meinen Blick über die Handvoll Pferde wandern, hörte mir die Charas an und wollte Nina und Julia schon enttäuscht verkünden, dass ich mir einen anderen Hof suchen würde bzw ein anderes Pferd kaufen, da sah ich ihn.

Ein hübscher Dunkelfuchs stand hinten in der Ecke der Weide unter einem Baum und beobachtete uns, Misstrauen im Blick und mit angelegten Ohren. An dem Abstand, den die anderen Pferden zu ihm hielten merkte man, dass er wohl auch nicht will von seinen vierbeinigen Kameraden hielt und als ich eine Stute vorwitztig in seine Nähe wagte, trat er direkt nach aus und machte Anstalten, nach ihr zu schnappen. Julia hatte bemerkt, das mein Blick an diesem Pferde festhing. "Unser Bad Romance" Ihr Tonfall verriet mir, dass er wohl ein Problempferd schlecht hin war. "Tritt und beißt, mag keine Menschen oder anderen Pferde, nimmt kaum Hilfen an umd die, die ihn bis jetzt geritten haben und einigermaßen Erfolg hatten, mussten dies mit Sporen tun. Bis jetzt hat sich noch nie einer für ihn gefunden" "Ich kann ein Gewissen Interesse nicht leugen..." gestand ich zögernd. Nina sah mich mit hochgezogenen Brauen an, wechselte dann einen schnellen Blick mit Julia und blickte mir dann fest in die Augen. "Im Prinzip spricht da alles gegen, was nur dagegen sprechen kann. Aber wenn du uns ein bisschen was aus deiner Vergangenheit erzählst - deiner reiterlichen Vergangenheit - kann sich da noch was dran ändern"

Ich zwirbelte eine Haarsträhne zwischen meinen Fingern. Mir war es unangenehm über meine Vergangenheit zu reden, verdammt unangenehm. Aber da war Bad Romance... Und wenn ich nur eine Chance haben wollte, dieses wunderschöne Pferd zu pflegen, dieses Pferd das mich total in seinen Bann gezogen hatte, dann musste ich erzählen. Ich schluckte mehrmals und holte dann tief Luft. Und fing mit leiser Stimme an zu erzählen:

"Als ich 8 war sind wir in die Schweiz gezogen. Und als ich 10 Jahre alt war habe ich zusammen mit einer Freundin reiten gelernt. Sie hatte ein unglaubliches Talent zum Reiten, ich habe mich neben ihr immer schlecht und unkoordiniert gefühlt. Doch dann haben wir entdeckt, dass ich Gespür für Problempferde habe. Und so wurden meine Freundin und ich auf ganz unterschiedliche Wege gefördert: Sie erhielt gezielten Einzelunterricht und kam schnell voran, aber sie war nie der Typ Reiterin, der nur auf Turniere aus ist, Bodenarbeit war ihr genau so wichtig. Ich dagegen erhielt natürlich auch Unterricht, aber nebenbei wurde ich mit allen Methoden der Bodenarbeit und Arbeit mit Pferden vertraut gemacht. Also Pat Parelli und solche Sachen. Ich habe dann immer mit allen Pferden gearbeitet, mit denen keiner weiter kam. Und ich denke, dass ich wirklich was erreicht habe. Natürlich habe ich keinen Beleg dafür, ihr müsst mir vertrauen, aber wenn ihr das nicht könnt - was ich verstehen könnte - kann ich euch auch die Nummer von dem Gestüt geben, wo ich reiten gelernt und bis vor kurzem gewohnt habe" Ich brach ab und schwieg. Die Erinnerung schmerzte ziemlich, mehr als ich erwartet hatte.

"Wir glauben dir", Julia sah mich an und legte mir eine Hand auf die Schulter, ganz sanft nur. Und trotzdem brachte mich das fast zum Weinen. "Danke", flüsterte ich leise. Eine unangenehme Pause entstand. "Traust du dir ihn denn zu?" fragte Nina schließlich. Ich sah Bad Romance an. Dachte an all die Pferde mit denen ich gearbeitet hatte. "Ich denke schon" ich war unsicher, versuchte aber, meiner Stimme einen festen Klang zu geben. "Du musst ihn auch nicht sofort kaufen", beruhigte Julia mich. So fest hatte meine Stimme dann wohl doch nicht geklungen. "Wir können gerne 2-wöchige Probezeit vereinbaren und danach musst du dich erst entscheiden, ob du ihn willst, ok?" Ich nickte. Das hörte sich zu gut an, um wahr zu sein. "Sehr schön. Ich würde sagen, dass wir jetzt in unser Büro gehen, alle Formalitäten klären und uns um Rose kümmern. Danach kannst du dich etwas mit Bad Romance beschäftigen. Sobald du das Gefühl hast, dass er dich überfordert oder nichts für dich ist, komm sofort zu mir oder zu Nina, dann klären wir das schon, okay?" Julia sah mich an. Ich nickte abermals und wir machten uns auf den Weg zum Büro.

Unterwegs kam uns eine junge braunhaarige Frau entgegen, die aufgeregt auf Nina einredete, es war wohl irgendetwas mit ihrem Pferd. Nina sah mich entschuldigend an. "Ich muss Ayaka helfen, sie hat ein Problem mit El Shamir. Geh mit Julia alleine, ok?" Ehe ich irgendetwas sagen konnte, waren die beiden schon auf und davon. Julia grinste nur und wir gingen die wenigen Meter weiter zum Büro. Rose wartete schon wie mir schien ungeduldig und sah sich nach allen Seiten um. Und als sie mich entdeckte, kam sie praktisch auf mich zugerannt und fing direkt ein Gespräch an.

'Und? Wie gefällt es dir hier? Hast du ein Pferd gefunden?' 'Langsam' beruhigte ich Rose und ordnete meine Gedanken. 'Mir gefällt es sehr gut hier und ja, ich habe ein Pferd gefunden. Ich mache zwei Wochen lang eine Probezeit und wenn dann alles mit meinem Pferd klappt, bleibe ich auf jeden Fall hier' 'Super!', Rose strahlte über das ganze Gesicht. 'Dann lass uns Formulare ausfüllen!' Ihre hellen Augen blitzten vor Tatendrang. Ich grinste leicht. Wieso fiel es mir nur so viel leichter, mit ihr umzugehen als mit allen anderen Menschen? Lag das nur daran, dass sie gehörlos war? Ich berichtete Julia kurz, dass Rose sich entschieden hatte zu bleiben und wir setzten uns in ihr Büro, um die nötigen Formulare auszufüllen. The End Of Days würde schon morgen hier einziehen und Rose verließ ziemlich bald das Büro, um alles auf ihrem alten Hof in die Wege zu leiten. Julia und ich blieben noch einen Moment sitzen. "Na dann, herzlich Wilkommen " lächelte Julia warm. "Danke", murmelte ich. "Wir hoffen wirklich, dass unser Romeo - Bad Romance - mal endlich jemanden findet. Er vereinsamt völlig..." sagte Julia leise. "Naja, Fühl dich hier wie zu Hause. Ich muss leider auch noch ein bisschen was tun, darf ich dich raussschmeißen?" Ich lächelte. "Ich gehe schon"

Ich sah mich erst einmal in Ruhe um und landete schließlich am Waschplatz. Dort stand eine hübsche schwarzhaarige Frau, die ich auf 25 bis 28 Jahre schätze. Sie stand vor einem hübschen Dunkelbraunen Hengst und sah regelrecht verzweifelt aus. Von alleine wäre ich wohl nie auf sie zugegangen, aber sie sprach mich von selber an. "Hey, bist du neu hier?" Sie sah mich freundlich an. "Ja, ich heißte Judith und kümmer mich um Bad Romance" "Oje, ein ganz schöner Brocken" sie lächelte etwas spröde. "Ich bin Lessa. Sag mal, hast du ein bisschen Zeit? Ich bin Pferdepflegerin und muss mich heute um eine Menge Pferde kümmern, habe aber kaum noch Zeit. Eine Freundin von mir feiert ihren Geburtstag, ich habe das auch Julia & Nina erzählt und sie meinten, sich sollte mir einfach einen von den Mitgliedern schnappen. Die haben nur alle keine Zeit" Ich zögerte. Der Tag war noch etwas länger, Davi würde noch beschäftigt sein, warum also nicht? "Okay"stimmte ich zu. "Danke! Wir haben auch nur vier Pferde zu machen. Das Zeug hab ich schon geholt, also Shampoo, Waschbürste, Schweißmesser und so weiter. Das hier ist unser erste Kandidat, Joy In. Ihn können wir ruhig mit dem Wasserschlauch abspritzen, er ist das gewöhnt. Ich würde sagen, dass ich seinen Körper wasche und du dich in der Zeit um Schweif und Mähne kümmerst, okay?" Mir blieb nicht viel anderes übrig, als zu nicken. Lessa schien zufrieden und wir machten uns an die Arbeit.

Joy In hibbelte Anfangs etwas herum, er beruhigte sich aber recht bald wieder, als Lessa ihn am Halfter packte und leise auf ihn einredete. Von diesem Moment an stand er brav still, wich auch dem Wasserstrahl nicht aus und ich hatte keinerlei Probleme, seinen Schweif und seine Mähne zu waschen. Lessa kam mit seinem Fell auch sehr gut voran, dabei schwieg sie konzentriert, was mir nur mehr als Recht war. Ich hatte genug Stoff zum verarbeiten und versuchte vor allem den Gedanken daran zu verdrängen, dass ich Rose bald würde erzählen müssen, warum ich Gebärdensprache konnte. Da sowohl Lessa als auch ich sehr in unsere Arbeit vertieft waren, waren wir viel schneller fertig als gedacht. Joy In glänzte, sein Langhaar war sauber und ordentlich und er machte einen richtig zufriedenen Eindruck.

Lessa brachte Joy In weg und kam mit einem Braunschimmel wieder. „Das ist Silver Stone. Er ist ein kleiner Spaßvogel, also aufpassen!“ warnte sie und fügte hinzu:“Machst du wieder Mähne und Schweif?“ Ich nickte nur und nahm den Wasserschlauch, um den Schweif nass zu machen. Beim einshampoonieren war er ganz lieb. Beim auswaschen hibbelte er aber ein wenig rum, aber nach ein paar strengen Worten von Lessa stand der Wallach still. Problemlos konnte ich jetzt den Schaum raus waschen und mich der Mähne widmen. Bei der Mähne stand er auch ganz brav still und rührte sich kein bisschen. Nur als ich an den Schopf wollte schüttelte er ständig den Kopf und schlug damit um sich. Lessa ermahnte ihn, als er nicht aufhörte klatschte sie ihm vor die Brust. Dann stand er stramm und ich konnte den Schopf waschen. „Also ich bin fertig. Und du?!“ fragte Lessa und blickte zu mir. „Ja, ich bin auch fertig.“ Meinte ich und strich das Wasser aus dem Schopf von Silver Stone.

Auch dieses mal brachte Lessa das Pferd weg und kam mit einem neuen wieder. Diesesmal war es Nevada Sky, eine Trakehner Stute, wie Lessa mir kurz sagte. Wieder machte ich Schweif und Mähne. Für ein Schimmel war sie echt sauber. Und weil sie so ruhig und brav war, war es leicht ihren Schweif zu waschen. Auch die Mähne klappte gut, sie schaute nur kurz, was ich da mache und lies mich weiter waschen. Beim Schopf zuckte sie kurz und guckte doof. Dann konnte ich sie auch den Schopf einshampoonieren und ausspülen. Als ich damit fertig war, schnaubte sie einmal, anscheinend hatte sie Wasser in den Nüstern… Aber es blieb bei einmal schnauben und ich drehte mich zu Lessa um, die grade mit dem Schweißmesser das Wasser aus dem Fell zog. Dann hatte sie auch das erledigt und die Stute glänzte in einem wunderbaren Weiß. „So, jetzt fehlt nur noch Love score. Warte, ich hol sie schnell.“

Lessa kam mit einer Fuchstute wieder, nachdem sie Nevada Sky weg gebracht hatte. Ich hatte Glück. Die Stute hatte einen dünnen, nicht so langen schweif und eine kurz geschnittene Mähne, sodass es nicht lange dauern würde. Erst widmete ich mich wieder den Schweif, machte ihn nass, gab Lessa den Schlauch und shampoonierte den Schweif ein. Als Lessa mir den Schlauch gab, wusch ich das Shampoo raus und zog mit der Hand einmal das Wasser raus. Bei der Mähne hibbelte die Stute ein wenig, doch nach ein bisschen Gerede mit der Stute stand sie brav und ohne weitere Probleme war auch Mähne und Schopf wieder sauber. Dann half ich Lessa noch kurz mit den Beinen und beim Pferd wieder trocken machen. Fertig.

"Danke!" Lessa lächelte mich dankbar an, ich nuschelte ein leises "gern geschehen" und machte mich dann auf den Weg zu Bad Romance. Ein gewisses Gefühl von Nervösitiät konnte ich beim besten Willlen nicht unterdrücken, da spielte es gar keine Rolle, das ich eine solche Situation schon sehr, sehr oft durchgemacht hatte. Und ich hatte das Gefühl, dass ich hundert Mal ein neues Problempferd würde reiten können und mich nie daran gewöhnen, wie es sich anfühlt, wenn man sich das erste Mal mit diesem Pferd beschäftigt.

Bad Romance stand wie eben auch schon auf der Weide, Ohren angelegt, viel Abstand zu den anderen Pferden. Fast verließ mich jetzt schon der Mut. Fast. Doch ich riss mich zusammen, wie ich mich in den letzten Monaten immer zusammen gerissen hatte und betrat die Weide. Alle Pferde blickten mich direkt neugierig an, nur Romeo blickte eindeutig mehr misstrauisch als neugierig. Fest entschlossen mich von ihm nicht beeindrucken zu lassen, stapfte ich auf ihn zu. Romeo sah mich weiterhin einfach nur an, immerhin rannte er nicht vor mir weg, aber er sah auch nicht allzu glücklich aus. Wenige Meter vor ihm hockte ich mich einer Eingebung folgend ins Gras und wartete. Und wartete. Und wartete.

Die anderen Pferde waren schon von allen Seiten an mich herangeschlichen gekommen, hatten an meinem Pulli gesabbert, mich nach Leckerlis abgesucht und dann irgendwann doch wieder das weite gesucht, weil sie das Interesse verloren hatten. Nur Bad Romance ließ eindeutig auf sich warten. Aber ich gab die Hoffnung nicht auf - ich merkte, dass der Wallach ein gewissen Interesse an mir hatte, immer mal wieder einen Schritt näher kam, dann wieder die Ohren angelegte und sich zurück zog. Letzendlich siegte aber die Neugier doch und auch wenn ich auf den Boden starrte, bemüht, Bad Romance nicht anzusehen, konnte ich trotzdem hören, wie er immer näher kam und spürte dann endlich seine weichen Lippen an meinem Pulli. Er knabberte ganz sanft daran herum. Langsam, unendlich langsam stand ich auf, hielt den Blick weiter gesenkt. Spürte, wie Bad Romance zurück wich. Nur so weit, dass wir immer noch Körperkontakt hatten.

Vorsichtig hob ich die Hand mit dem Halfter und zog dem Welsh das Halfter sanft über die Ohren, die schon wieder bedrohlich weit nach hinten zeigten. "Ruhig, Großer", sprach ich leise auf ihn ein, nicht wissend, ob ich jetzt ihn oder mich beruhigen wollte. Während ich das Halfter schloss, rubbelte ich sanft seine Stirn, zupfte dann am Strick und war erleichtert, dass er mir - zwar widerwillig aber immerhin - folgte. Ich war die ganze Zeit auf der Hut, achtete sehr auf das Ohrenspiel des Wallaches und hielt einen gewissen Sicherheitsabstand. Ich hatte wenig Ambitionen, direkt am ersten Tag von ihm ins Krankenhaus befördert zu werden. Unbeschadet kam ich zum Putzplatz, der zu meiner Freude leer war. Bei meinen guten Menschenkentnissen und meiner Übung im Umgang mit Menschen freute es mich immer tierisch, wenn der Putzplatz rappelvoll war und dann auch noch den ersten Tag mit einem fremden Pferd und mein Herz war übervoll vor Freude. So konnte ich mein Pflegepferdchen aber ganz in Ruhe putzen und die Ruhe brauchte ich auch.

Ein bisschen unwohl fühlte ich mich schon. Hier stand ich nun, in einem fremden Dorf in einerm fremden Land auf einem fremden Hof und hatte mir direkt das erstbeste Problempferd unter den Nagel gerissen. Meine Psychologin hatte mir zu verstehen gegeben, dass sie mich nicht länger betreuen konnte und wollte und so recht wusste ich noch nicht, was ich von meinem neuen Leben halten sollte. Bad Romance war leider - oder sollte ich sagen zum Glück? - kein Pferd, dass beim Putzen direkt eindöste und so den perfekten Einstieg für eine verträumte Putzprozedur lieferte, in der man so richtig schön seinen Gedanken nachhängen kann. Nein. Romeo forderte all meine Aufmerksamkeit, ich übte mich schon mal fleißig im Ausweichen, wenn er genervt nach mir schnappte oder austrat, was ziemlich häufig passierte, und verteilte nebenbei gezielte Klapse, um ihm direkt klar zu machen , dass ich mir nicht alles gefallen lassen würdee. Als der Wallach endlich sauber zu nennen war, war ich nicht die einzige, die schon eifrig geschwitzt hatte. Es erfüllte mich mit Genuutung, dass Romance dieses Kämpfen und Hassen genauso anstrengte wie mich das Ausweichen und Schimpfen. Mit verhältnismäßig wenig Klapsen bekam ich das Pony longierfertig gemacht: Trense, Ausbinder, Longiergurt, Longierbrille, Bandagen und natürlich Longe und Longierpeitsche. Das Bandagieren war eine Kunst für sich, aber als ich einmal merkte, dass Romance das gar nicht leiden konnte und sich heftigst dagegen sträubte kam ein Aufgeben und stattdessen Gamaschen benutzen natürlich nicht mehr in Frage.

Irgendwann war ich dann doch mal fertig und führte Romance zum Roundpen rüber. Von Drinnen klang der leise Klang von Hufen an mein Ohr. Neugierig linste ich in die Halle herein. Bad Romance schnaubte und drückte seinen schweren Kopf gegen meine Schulter. Meine Schulter knackte protestierend. Instinktiv wich ich einen Schritt zur Seite und der Wallach drängte seinen Kopf in die Entstandene Lücke. Abgedrängt und ausgeschlossen stand ich neben meinem Pferd, das gut gelaunt in den Roundpen blickte und fühlte mich ziemlich überrumpelt. Romance hatte wirklich keinerlei Respekt vor irgendwas oder irgendwem. Aber nicht mit mir! Mit wiederkehrender Entschlossenheit zwängte ich mich an Romeo vorbei, was dieser mit einem empörten Schnauben quittierte. In einen engen Spalt zwischen Romeos Vorderseite und dem Holz der Halle eingequetscht begann ich mit Nachdruck gegen seine Brust zu drücken. Als Antwort bekam ich unwilliges Grummel und angelegte Ohren. Ich verstärkte den Druck ein wenig, was zur Folge hatte, das Romance erst mal ebenfalls anfing zu drücken. Feiner Schweiß rann mir den Nacken runter, doch ich gab nicht auf. Bad Romance grummelte unzufrieden, trat trotzdem gehorsam ein paar Schritte zurück. Sofort hörte ich mit dem drücken auf und seufzte erleichtert. Der Wallach blickte mich an und plötzlich schob er seine Nase wieder an mir vorbei- oder versuchte es zumindest. Diesmal ohne Zögern stellte ich mich ihm in den Weg und hob die Hand. „Batsch“, mit einem leisen Klatschen landete meine Hand auf seiner Nase. Das Pony zuckte zurück und in seinen Augen las ich Überraschung. Zufrieden warf ich einen Blick auf mein Handy. Es war immer noch relativ früh.

„So“, sagte ich an Romance gewandt. „zeit zu unserem eigentlichen Vorhaben zurück zu kehren!“ Ich konnte endlich einen Blick ins Roundpen werfen, ohne von irgendwelchen Pferden zerquetscht zu werden. Im sanften Dämmerlicht der Halle drehte ein hübsches Pferd seine Runden im Trab. Eine junge Frau stand konzentriert in der Mitte und verfolgte jede Bewegung mit Adleraugen. „Ok, das reicht! Sollst schließlich noch ein wenig power übrig haben!“ Sie hielt das Pferd an, klopfte ihr den Hals. Liebevoll kraulte sie ihr die Stirn und machte sich dann daran, den Roundpen zu verlassen. Eilig trat ich einige Schritte zurück um den Eingang frei zu machen. Die junge Frau kam heraus und sah mich neugierig an, sah dann auf Romance. "Du bist Judith, richtig? Ich bin Sarah. Nina hat mir schon erzählt, dass jemand sich jetzt um Bad Romance kümmert" lächelte sie. Ich nickte nur "Hallo" murmelte ich dann leise und war erleichtert, dass Sarah nicht weiter fragte und ich endlich ins Roundpen gehen konnte.

„So, das wars“, lobend klopfte ich Romeo den Hals, nachdem ich ihn ausgebunden hatte. „Ist doch viel schöner mal ein paar Minuten stehen zu bleiben und dafür gelobt zu werden, anstatt das Ganze in die Länge zu ziehen“ Aufmunternd schnalzte ich mit der Zunge. Romeo lief einige Runden im Schritt, bevor ich ihn in den Trab wechseln ließ. Mit hochgerecktem Kopf und viel zu schnellen, ruckartigen Bewegungen trabte der Wallach um mich rum, wieder zum Keinohrpony geworden. „Ruhig!“, befahl ich. Romeo kaute auf seinem Gebiss, der Speichel schäumte. Nach einigen Runden wurde er allmählich ruhiger, seine Bewegungen eleganter. Mit dem Ergebnis zufrieden trieb ich den Welsh in den Galopp. Explosion artig sprang er um und drängte von mir weg. Die Longe straffte sich in meiner Hand. Romeo schüttelte den Kopf, zerrte mich zur Seite. Ich stemmte meine Beine in den Boden und spannte all meine Muskeln an, um gegen zu halten. Der Wallach gab nicht auf und hoffte anscheinend auf ein Zeichen von Schwäche bei mir. Doch da kannte er mich schlecht. Ich sagte ich mir: „Willst du dich mit Romance anfreunden, solltest du niemals den kürzeren ziehen!“ So nahm ich den Kampf auf. Doch er wollte nicht enden. Ich hatte selten ein so austickendes Pferd gesehen.

Meine Handflächen brannten, meine Muskeln schmerzten, mein Mut sank. Romeo war wie besessen, einfach nicht zu zügeln. Ich war sehr nah dran, einfach aufzugeben.

Mein Gesicht war nass vor Schweiß und vor Tränen. Unterschiede gab’s nicht mehr. Ich wollte die Longe aus der Hand schmeißen und aufgeben. Einfach nur aufgeben.

Doch ich hatte schon genug mit solchen Pferden zu tun gehabt und genau aus dieser Erfahrung nahm ich jetzt meine Kraft, weiter zu machen. Ich wendete den Blick keine Sekunde von Romeo ab. Angespannt verfolgte ich das Spiel seiner Muskeln, das Zusammenspiel von Kopf, Körper und Beinen. Zeichnete mit den Augen die Striche aus Schweiß nach, die sich auf seinem Fell verteilten. Lauschte auf seinen angestrengten Atem. Aufgeben. Das Wort stand noch im Raum, doch mittlerweile hatte es sich in eine Ecke verzogen. Mein Wille, Romeo zu zeigen dass er mir vertrauen konnte und sich von mir leiten lassen konnte, siegte. Schien sich auf Bad Romance zu übertragen. Und irgendwann hatte ich das Gefühl, das ich ihn durchparieren konnte.

„Hooo!“, konzentriert beobachtete ich den Wallach. Romeo spielte mit den Ohren, behielt aber sein Tempo bei. Verschiedene Möglichkeiten fetzten wie Bilder durch mein Hirn. Eine setzte sich fest. Ich atmete tief durch. Wie von selbst gab ich ein wenig nach, die Longe entspannte sich. Romeo blieb auf seiner Bahn. Stück für Stück ging ich näher, die Longe dabei einsammelnd. Der Welsh pumpte heftig, sein Fell war eine einzige Schweißschicht. Kaum merklich wurde er langsamer, verfiel in den Trab, in den Schritt. Unberührt von den Ereignissen kam ich weiter auf ihn zu. Nur noch eine Armlänge entfernt, streckte ich den Arm aus. Romeo wieherte leise und blieb stehen. Vorsichtig griff ich in seine Trense. Der Wallach senkte den Kopf, ließ sich die Stirn streicheln. Ich entdeckte Vertrauen und Unterwerfung überwiegend aber immer noch Anspannung und Missfallen in seiner kompletten Haltung und in seinen dunklen Augen. „Der erste Schritt ist getan!“, sagte ich zu mir selber. Aber es war ganz sicher nicht der letzte. Solche Kämpfe würde ich sicher noch öfters mit ihm haben. Und ich hatte noch nicht mal versucht, auf seinen Rücken zu steigen. Trotzdem: Wenn ich eins hatte, dann war es Geduld mit Pferden.

Wieder am Putzplatz nahm ich Romeo die Ausrüstung ab und begann dann, mit dem Schweißmesser über sein Fell zu gehen. Den Getrockneten Schweiß bearbeite ich anschließend mit Kardätschte und Striegel. Liebevoll kratze ich seine Hufe aus und verlas Mähne und Schweif. Ein kleines Leckerli verschwand im Maul des Welsh - schließlich stand er jetzt einigermaßen still - und schließlich landete er wieder auf seiner Weide. Dort giftete er erstmal eine Runde die anderen Pferde an, lieferte sich einen kleinen Kampf mit einem Schimmel und fing schließlich zu grasen an. Ich dagegen machte mich auf die Suche nach Davi.

Fündig wurde ich letzendlich auf dem Platz, wo meine Mitbewohnerin einen wunderschönen Braunen ritt, denn sie mir als ihren Karlos vorstellte. Bei der Gelegenheit lernte ich auch direkt Lucy kennen, die ihre Madonna ritt. "Ich brauche noch etwas" Davi sah mich entschuldigend an. "Das ist gar kein Problem, ich finde den Weg nach Hause ganz sicher alleine" Nachdem ich Davi noch ungefähr 50 Mal versichert hatte, dass es wirklich kein Problem war und mich auch von ihr und Lucy verabschiedet hatte, machte ich mich auf den Heimweg.

Ich drehte eine extra Runde durchs Dorf. Mir schwirrte der Kopf von den vielen neuen Menschen. Ich hatte noch genug an der Begegnung mit Leisha zu knabbern, dazu war jetzt noch Rose gekommen, ganz zu schweigen von den ganzen Mitgliedern und von Bad Romance. Die altbekannte Panik stieg wieder in mir hoch, das Gefühl, mit allem überfordert zu sein. Ein Zittern befiel mich, wie immer, wenn ich kurz vorm hyperventiellieren war. Eine erste Träne fand ihren Weg aus meinem Augenwinkeln und so sehr ich mich auch bemühte mich unter Kontrolle zu bekommen, es funktionierte nicht. Ich war völlig kaputt. Ob ich jemals wieder so sein würde wie früher? Nicht mehr auf jede neue Situation mit Panik reagieren würde? Ich wusste es nicht. Es erschien mir hoffnungslos.

Dem Weg hatte ich keinerlei Beachtung geschenkt. Ich war einfach gegangen, in Kämpfen mit mir selber versunken. In Gedanken abgetaucht. Das erste was ich von meiner Umgebung wieder war nahm war das Quietschen von Bremsen. Und eine Hupe.

Ich blieb stehen. Mitten auf der Straße, umgeben von Autos. Ich wollte mich bewegen, wollte rennen, wollte schreien. Stand aber nur stumm da und starrte das Auto an, das unaufhaltsam näher kam. Aus dem auf mich zuschlingernden schwarzen Auto wurde ein dunkelblaues, das Quietschen der Bremsen wurde zu einem aufheulenden Motor. Ich sah mich schon unter dem Wagen liegen, sah mich verbluten, wie Saskia verblutet war. Sah Passanten am Rand stehen, die Hand vor den Mund geschlagen, vielleicht auch schreiend, wie ich geschrien hatte. Dann wurde alles schwarz.

"Hallo? Hallo? Verdammt, jetzt rufen Sie doch einen Krankenwagen!" War das meine Stimme? War ich das, die die umstehenden Leute panisch anschrie, nach einem Krankenwagen brüllte? Blind vor Panik wegen Saskia? Alles drehte sich. Ich sah Saskias blutenden Körper, sah die Straße, das Auto.

Meine Augenlider flackerten. "Ich glaube, sie wacht auf" wie erleichter die Stimme klang. Hätte ich auch so geklungen, wenn Saskia wieder aufgestanden wäre? Mühsam versuchte ich mich aufzurichten, wehrte die Hände ab, die mich wieder auf den Boden drücken wollten. "Mir geht es gut", sagte ich schroff, stand kurz danach auf meinen eigenen Beinen. Mir gegenüber stand ein junger Mann, der sehr, wirklich sehr besorgt aussah. "Ich dachte schon,ich hätte Sie angefahren... Ist wirklich alles in Ordnung? Sie standen da auf einmal auf der Straße. Zum Glück konnte ich noch bremsen! Warum sind Sie nicht zur Seite gesprungen, Sie müssen mich doch gehört haben?!" Ich hörte die Stimme des Mannes, aber seine Worte kamen nicht an. Ich überlegte, ob der Mörder von Saskia auch so geklungen hätte, wenn er stehen geblieben wäre. Aber das war er nicht. Der Arsch war einfach weitergefahren. Fahrerflucht. Die Polizei hat ihn bis heute nicht gefunden.

"Hallo?" Wieder diese Panik, eine Hand wedelte vor meinem Gesicht herum. Ich konzentrierte mich mühsam auf das hier und jetzt, antwortete auf alle Fragen mechanisch, das alles gut sei und ich nur einen kleinen Schwindelanfall hatte. Lehnte das Angebot einer jungen Mutter ab, mich ins Krankenhaus fahren zu lassen, auch wenn sie noch so sehr drängelte. Langsam verflüchtigten sich die wenigen Zuschauer und ich war alleine mit dem Fahrer. "Himmelherrgott nochmal, was haben Sie sich dabei gedacht?" Ich zuckte nur mit den Schultern und wischte meine Wangen trocken. Ohne das ich es steuern konnte liefen mir die Tränen die Wangen runter. Ich konnte sowieso viel zu wenig steuern in letzter Zeit. Der Mann schien Mitleid mit mir zu haben, legte mir einen Arm um die Schulter und versuchte wohl, mich zu trösten. "Pssch, es wird alles wieder gut. Es ist ja nichts passiert. Shhhh" Unwillkürlich fragte ich mich, ob er wohl junge Kinder hatte, aber ich fragte nicht. "ich bin André" stellte er sich schließlich vor und streckte mir etwas verlegen die Hand hin, die zuvor noch auf meiner Schulter gelegen hatte. "Judith" erwiderte ich erschöpft. Ich wollte nur nach Hause, zu meinen Pferden, in die Schweiz. Aber ich war jetzt hier und es war besser für mich. Jennifer hatte mich gewarnt, dass es sehr hart werden würde. "Kann ich etwas für dich tun?", fragte er freundlich. "Wenn du mich nach Hause fahren könntest..." "Klar!"

Ich starrte schweigend aus dem Fenster. Auto fahren behagte mir immer noch ganz und gar nicht und auch wenn André sehr umsichtig fuhr, so krampften sich meine Hände trotzdem um den Sicherheitsgurt. Mein Begleiter betrieb höfliche Konversation, ließ sich von meinen einsilbigen Antworten nicht stören und so plätscherte das Gespräch so daher. Ich erfuhr, dass er in einem Autohaus arbeitete und gerade auf einer Testfahrt gewesen war, als ich seinen Weg auf so unangenehme Weise gekreuzt hatte. Er erzählte noch ein bisschen von seiner Arbeit und von seinem Hund und fragte ansonsten nur alle 2 Sekunden, ob alles mit mir in Ordnung war und nahm mir alle 3 Sekunden das Versprechen ab, dass ich zum Arzt gehen würde, wegen meinen Schwindelanfällen.

Obwohl er nett und höflich gewesen war, war ich froh, als wir Davis und mein Haus erreichten und ich mich von ihm verabschieden konnte. "Kann ich sonst noch etwas tun?", fragte er und ich zögerte einen Moment, bevor ich über meinen Schatten sprang. "Kennst du vielleicht einen guten Psychologen?" Wenn ihn diese Frage verwunderte, so ließ er sich das nicht anmerken. "Dr. Steinhauer ist ziemlich gut, meine Freundin war 4 Jahre lang bei ihr in Therapie und ihr geht es jetzt echt viel besser" André kramkte im Handschuhfach herum, zauberte dann einen Kuli hervor und schrieb mir die Internetadresse sorgfältig auf die Hand, direkt darunter seine Handynummer. "Da auf der Seite findest du all Infos, Adresse und so. Und wenn was ist, kannst du mich jederzeit anrufen, versprochen?" Ich versprach es, ohne es so zu meinen und konnte dann endlich das Auto verlassen.

Es begann zu dämmern. Als ich mir sicher war, dass André wirklich weg war, entspannte ich mich sichtlich. Mir war es unangenehm gewesen, wie freundlich und besorgt er gewesen war. Ich kam damit nicht so gut klar. Erschöpft zog ich mich in meinem Zimmer um, ließ mich aus Bett sinken. Davi war noch nicht da und es war noch früh, aber ich hatte keinerlei Interesse daran, noch irgendetwas zu unternehmen. Ich zitterte immer noch leicht und mir war kalt und deshalb kuschelte ich mich unter die Decke und dachte über den Tag nach. Über Bad Romance, über Leisha, über Rose, über Dr. Steinhauer, über den Hof, über André... Die Liste war lang und ermüdend. Und irgendwann schlief ich über diese ganzen Gedanken ein. Wenn etwas passiert, dann direkt alles auf einmal.

Schööööööööööööööööööööööööööööööööööööööööööööööööön :) ich mags ^^
Und ich konnte mir alles bildlich vorstellen... vol toll :P
Hab ja nur eeeh fast ne stunde gebraucht :D vorallem weil meine mutter gemekert hat ich solle doch ins bett gehen... konnte ich nur antworten ´is grad zu spannend´ :D

Und ich habe gerade ernsthaft versucht, die ö's in dem Schön zu zählen xD Klappt aber nicht :P

Omg danke <33 Süß, sag deiner Mama nen lieben Gruß und Sorry das ich dich vom schlafen abgehalten habe xD

Wow! Dein Bericht ist sooo spannend. Kann die Fortsetzung kaum erwarten...! :D

Und Rose würde ich gerne in meinen Bericht einbauen, wenn du nichts dagegen hast. Mir ist nämlich eine Idee gekommen, wie ich ihr das 1. mal begegne, wenn sie ihr Pferd bringt.

Ja zähl du mal :D
ja.. wenn meine mum wieder kommt natürlich :D

Klar, ich hab nichts dagegen, wenn du sie einbaust, Lucy :) Ist ja nicht nur meine Rose, aber wenn noch jemand von euch Gebärensprache kann werde ich sauer xD
Danke, ich tippe auch schon am nächsten...^^ Aber es dauert immer ewig bei mir :P <3

Natürlich Daviii :D

Ne diese Sprache kann ich nicht (und will sie auch nicht können). Im Beri bist du dann mein Retter! XD

Hach, ich rette gerne :P

Ein bisschen hilfst du mir deiner Fähigkeit aber vor allem mit deinem Hirn! XD
Wirst es dann sehen bzw. lesen. ^^

Ich bin eben schlau:D
Man, schreib weiter. Nicht zeichnen, schreiben:P

Ev. wirst du morgen ja schon weiter lesen können... Am Nachmittag gehe ich in den Stall, aber am Morgen habe ich Zeit und wen ich meine Idee nicht gleich aufschreibe, vergesse ich sie wieder. :D

Oder eben auch nicht :P

Achja, Aufgabe & Schicksal sind im Beri drin (:

Er ist fast fertig!!! Aber mir will einfach kein Schluss einfallen. :( Kann ja nicht mitten drin aufhören...

Kein Streß :P Mit dem Schluss hab ich auch immer Probleme..:(